KANADA MIT ELTERN – TEIL 1

Gleich zu Beginn sollten wir direkt ein paar Fragezeichen auslöschen, nein, die Überschrift ist kein Witz, ja, ich war wirklich zusammen mit meinen Eltern in Kanada und nein, weder ich noch jemand anders sollte jemals (glauben) zu alt oder gar zu cool dafür zu sein, um mit seinen eigenen Eltern in den Urlaub zu fahren. Dass das Ganze natürlich seine eigenen Herausforderungen bereit hält, dürfte jedem bewusst sein. Vergleicht man aber im Gegensatz dazu die leuchtenden Augen seiner beiden „Oldies“ an jedem Stop, an jeder Sehenswürdigkeit, bei jedem neuen Eindruck oder einfach an jedem azurblauen Bergsee, wiegt die Dankbarkeit der beiden, jegliche vermeintlichen Ärgernisse direkt hundert Mal wieder auf.

Aber lasst mich einfach mal der Reihe nach aus dem Nähkästchen plaudern, wie so eine Reise zu Stande kam, wie sie sich täglich anfühlte und ob Kanada denn auch ohne Mountainbike Sinn macht.

Insgesamt war das Jahr 2021 erneut kein Zuckerschlecken für die Menschheit weltweit; Pandemie-, Lockdown-, Ein- und Beschränkungsgeprägt plagte man sich gefühlt von Monat zu Monat. Der Sommer machte dann ein wenig Hoffnung und erste Lockerungen traten hier und dort in Kraft, so auch in Kanada – die Regierung beschloß im August, das Einreiseverbot für (nahezu) alle Länder zu kippen und mit neuen sehr strengen Regularien durften wir Europäer ab Anfang September nach 1.5 Jahren touristischem Stillstand wieder einreisen.

Mit diesem Erlaß von Herrn Trudeau und Konsorten reifte der Gedanke in meinem Kopf: wann wenn nicht jetzt, zeigst du deinen Eltern deine zweite Heimat bzw. deinen happy Place? Warum gerade dieser Zeitpunkt so passend war, ist schnell erklärt: das touristische Aufkommen dürfte gegen Null tendieren, die Reiseregelungen waren dermaßen knackig (geimpft, PCR Test, ArriceCan App, Quarantäne-Plan uvm.) dass sich die reine Reise sicherer als ein Besuch im Supermarkt anfühlte und obendrein der Herbst, die meiner Meinung nach, beste Jahres-/Reisezeit für British-Columbia & Alberta ist.

Also, allen Mut zusammen genommen – diverse externe „Was, mit den Eltern? Die sind doch schon alt. Puuh, nervt das nicht? etc.“ Meinungen ignorierend – bei den Beiden vorgesprochen, ihnen mit einer Nacht Bedenkzeit etwas die Pistole auf die Brust gesetzt und direkt am darauffolgenden Vormittag mit der Buchung und Organisation aller erdenklichen Parameter (Hotels, Mietwagen, Flüge, Test-Termine, Reise-Anmeldungen usw.) begonnen. Kanada wir kommen.

Der Plan für die Reise war dann denkbar einfach und lässt sich treffend als „Best-of-Kanadas-Westen-in-14-Tagen“ betiteln, länger ausformuliert bedeutet dies eine Reiseroute von Vancouver über Whistler und Kamloops in Richtung Norden, mit kleinen Zwischenstops hinauf in die Rocky Mountains nach Jasper, von dort folgen wir dem Icefields Parkway nach Canmore, verlassen danach die Bergwelt und nehmen in Calgary Abschied von unserem Familientrip.

Zwischen der Entscheidung zu dieser Reise und dem Abflug von München über Frankfurt nach Vancouver lagen gerade einmal 3 Wochen, welche von stetigem Zittern und checken diverser Regierungswebsiten begleitet wurden – man weiß ja nie, wann welche Regelung doch plötzlich gekippt, geändert oder ganz neu interpretiert wird. Nichts davon trat in Kraft und wir landeten bei wirklich furchtbarstem Wetter – Regen und Nebel mit Sichtweite von kaum 50m – nach 10 Stunden reibungslosem Flug und Reiseablauf im völlig verwaisten Flughafen von Vancouver. Die einkalkulierte Hoffnung auf „wenig Menschen“ schien ebenso auf zu gehen, wie der für uns zumindest absolut sicher wirkende Reiseprozess.

Von der Landung über den Einreise-Kiosk, den Immigration-Officer und der Kofferausgabe dauerte es exakt 28 !!! Minuten bis wir aus den elektronischen Drehtüren des Flughafens in die kanadische Frischluft-Freiheit entlassen wurden. Das ist ein nicht zu unterbietender Rekord und das obwohl all unsere Unterlagen – mit Ausnahme des erstellten Quarantäne-Plans – penibel überprüft wurden. Guter Auftakt. Ebenso schnell und problemlos gestaltete sich die Mietwagen-Übernahme und wir rollten im trübsten Herbstwetter aller Zeiten in Richtung Downtown.

Mit im Hotel einchecken, Abendessen, nasse Klamotten nach nur 500m Heimweg auswringen, auf morgige Wetterbesserung sowie auf ein paar unruhige Stunden Jetlag-Schlaf hoffen, sind die restlichen Stunden des Tages dann auch schnell erzählt.

TAG 1

Der erste echte Urlaubstag begann dann wie erwartet bereits in den frühen Morgenstunden, ein bisschen auf dem Handy rumdrücken, Wetterberichte und Frühstückslocations checken sowie ein wenig aus dem Fenster starren, lassen die Zeit aber irgendwie ganz gut vergehen. Wichtigste Randnotiz: Regen und Nebel hatten sich zum Glück ansatzlos verzogen.

Nach einem kanadischen Frühstück – Typ Holzfäller hat seeeehr großen Hunger – machen wir uns auf, um den Norden von VanCity zu erkunden. Hier war die Hoffnung auf weniger Menschen als mglw. direkt Downtown oder an etwaigen Top-Sehenswürdigkeiten anzutreffen. Auf dem Parkplatz des Lynn Valley Canyons bestätigte sich diese Annahme auch sofort, denn ein altes Sprichwort sagt: wo wenig Autos parken, ist auch wenig los. Nach einer ausgedehnten Runde Beine vertreten, Hängebrücken queren, riesige Zedern bestaunen und nach ersten Tieren Ausschau halten, fassen wir den kühnen Plan es nun doch ins Zentrum – allerdings nur – von North Vancouver zu wagen. Hier ist zum Glück auch wenig los, und wir spazieren vom Lonsdale Quay und Waterfront Park in einer großen Runde durch das Viertel. Als es dann langsam Zeit für Kaffee und Kuchen wird – einer eisernen Disziplin die meiner Eltern fröhnen – machen wir noch einen Abstecher nach Deep Cove. Beine hoch, Chai Latte, Zimtschnecke und drei Menschen die glücklich (und müde) aufs Wasser starren, was will man mehr? Gut, der wieder einsetzende Regen hätte nicht sein müssen, daher beschließen wir, genug für heute. Ab ins Hotel.

TAG 2

Spätestens als mich am Morgen 2 Augenpaare mit der essenziellen Frage „Was machen wir denn heute?“ anstarren, ist klar, meine Eltern haben die unser-Sohn-Komponente gegen unser Reiseleiter getauscht. Aber irgendwie auch zurecht, schließlich ist dies mein Kanada-Trip Nr. 6, da kann ich schon mal zeigen was ich all die Jahre zuvor so gelernt habe.

Los geht es mit einem Wiederholung der opulenten Frühstücksschlacht vom Vortag, danach heißt es endlich: Roadtrip. Wir verlassen nicht nur Downtown, sondern nach kurzer Fahrt durch den Stanley Park und Überquerung der Lions Gate Bridge, auch Vancouver generell. Blinker links auf den Sea-to-Sky-Highway und wir zuckeln als bald bei leider etwas Nieselregen und tiefhängenden Wolken an den Ufern des Howe Sound entlang. Am Ende des selbigen liegt das kleine – manche sagen verschlafene – Örtchen Squamish, ein kurzer Stop bei Shannon Falls, einem Auf und Ab durch den ca. 200m langen Ortskern und dem zwingend empfohlenen Besuch bei einer der hiesigen Brauereien später, rollt unser Gefährt auf den Parkplatz vor den Schranken des Alice Lake Campgrounds. Regenjacken an und ab in den Wald gebe ich den Marschbefehl in Richtung des Four-Lakes-Trails (Details findet ihr hier) aus. So bekommen wir alle die Gelegenheit uns ein bisschen die Beine zu vertreten, Luft des kanadischen Regenwaldes zu schnuppern und obendrein konnte meine Mum am Edith Lake quasi ihren – dem Namen nach – eigenen See bestaunen.

Kaum zurück am Auto präsentierte das Wetter mttlw. einen kleinen Vorgeschmack in Sachen angekündigter Besserung, so dass wir auf der Weiterfahrt nach Whistler bereits einen etwas besseren Blick sowie einige Sonnenstrahlen erhaschen konnten. Kurz vor Whistler hieß es natürlich – wie jedes Jahr- einmal obligatorisch in Richtung „Winter Olympic Park“ abbiegen, nicht weil wir ausgesprochene Skisprung- oder Biathlon Fans wären und uns so den nordischen Athleten einmal nahe füllen wollten, viel mehr um die gerne von Schwarzbären frequentierte Straße eben genau nach diesen mit den Augen abzusuchen. Erfolglos.

Mit ein paar Pint Bier in der lokalen Brauerei zusammen mit einem ordentlichen Teller des kanadischen Nationalgerichts Poutine klang der Tag aus und wir fielen relativ zeitnah in die jeweiligen Betten.

TAG 3

Hurra, Jetlag überwunden – behauptete zumindest die Anzeige meines Handy, schließlich ist 7:32 Uhr in Übersee nahezu ein Synonym für den Gefühlszustand: Ausgeschlafen. Das geschäftige Treiben im Nachbarzimmer ließ vermuten, dass meine beiden Kanada-Pioniere auch bereits auf Trab waren – nicht nur dass, denn kurze Zeit später standen beide schon in voller Montur und mit der bei Reiseleitern sehr beliebten Frage nach dem „Was nun?“ bewaffnet, vor meiner Tür. Kaffee geext, Müsli inhaliert und los.

Das erste Ziel des Tages lautete Train Wreck Trail – ein klassischer Spaziergang kurz vor den Toren Whistlers der alles beinhaltet, was das Herz begehrt (und es auch bei der mttlw. 4ten Begehung immer wieder vor Freude hüpfen lässt): ein Hängebrücke, ein reißender eisblauer Fluß, die Geschichte eines Eisenbahnunglücks und jede Menge Grafitti auf den im Wald verstreuten Waggons des besagten Schienenzwischenfalls.

Wer meine Eltern nicht kennt, dem sei gesagt, sie mögen zwar beide die 70-Jahre-Marke bereits passiert haben, dennoch sind sie aber – zum Glück – fit wie die sprichwörtlichen Turnschuhe und genauso agil wie wanderlustig. Daher galt zurück am Auto, keine Sekunde die Frage nach einer Pause, als vielmehr dem „Was nun?“. Also folgte auf Tour Nr. 1 direkt Tour Nr. 2; selbige begann mit ein paar Metern bummeln durch die Fußgängerzone von Whistler und dem begutachten des Zielauslaufes des Whistler Bikeparks. Was sich asap als schlechte Idee herausstellte, als es bei meiner Mutter nämlich gedanklich plötzlich Klick machte und sie feststellte: „Moment mal, dass macht er (also ich) ansonsten immer hier…“; wich direkt ein wenig Farbe aus ihrem Gesicht und ein kritischer Blick traf mich. Ein bisschen Grinsen musste ich dabei ja schon; Kind bleibt man also doch für immer.

Zügig zogen wir weiter, um den herrlich im dichten Wald versteckten Lost Lake zu umrunden, und anschließend die Hügel von Blackcomb wieder hinunter in den Ortskern zu spazieren. Und schon waren die nächsten 8 km in den Beinen; wie gesagt, meine Eltern sind wirklich noch topfit.

Ein Ende des Tages ist aber noch nicht ganz in Sicht, zum Abendessen peilte ich einen kurzen Ausflug zurück nach Squamish in meinen absoluten Lieblingsladen – den Watershed Grill – an, natürlich nicht ohne bei der Fahrt dorthin bei den Brandywine Falls zu halten und den nächsten halbstündigen Fußmarsch zur Gesamtsumme der Tageskilometer zu addieren.

Bei Burger und Craftbeer für alle, ließen wir den Tag am Ufer des Squamish River ausklingen und hatten neben einer herrlichen Nachtfahrt zurück nach Whistler auch noch das Glück einen flüchtigen Blick auf einen Schwarzbär in der Ferne zu erhaschen.

+++alle Erlebnisse zu Tag 4 und fort folgende erfahrt ihr in TEIL 2 +++

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