KANADA MIT ELTERN – TEIL 2

+++Du hast Anreise, sowie Tag 1 bis 3 des digitalen Reisebuchs verpasst?
Kein Problem, hier kannst du alles in Ruhe nachlesen.+++

TAG 4

Die Nacht endet abrupt mit einem hellen gleißenden Lichtstrahl der mein Gesicht trifft… Was soll das? Schlaftrunken torkle ich auf den Balkon der Whistler Summit Lodge und traue meinen halb zugekniffenen Augen kaum, ist das etwa Sonne? Noch bevor ich mit hektischen Vorbereitungen für den Tag starten kann, klopft es bereits an der Tür und ich vernehme nebst einem Guten-Morgen-Gruss auch direkt die Frage nach dem „Was nun?“ – also los; ist ja auch schon fast 8 Uhr.

Auf meinem heutigen Zettel stehen zwei Dinge, zum einen der Alta Lake Loop Trail am Vormittag, zum anderen – um in Reiseleiter-Sprech zu bleiben – ein Nachmittag zur freien Verfügung. Eins direkt vorab, der nachmittägliche Programmpunkt stieß bei meinen Eltern auf Unbehagen, machen sich doch beide nichts aus Fußgängerzone bummeln, Shopping oder einfach nur durch allerlei Geschäfte oder Lokalitäten zu stöbern. Die „was-soll-das-Fragezeichen“ waren ihnen direkt aus dem Gesicht abzulesen; ich hingegen habe in Whistler aka die Mutterstadt aller Outdoorläden eine deutliche Mission, denn gefühlt gibt es hier Ladenbesitzer die jährlich mit meinem erbrachten Umsatz bei ihnen rechnen. Und sowas braucht nun mal „frei verfügbare Zeit“.

Aber erstmal Wanderschuhe geschnürt und von der Haustür Richtung Whistler Golfplatz gestartet, weniger um des eigenen Handicaps willen, sondern viel mehr, um diesen zu umrunden und auf dem Valley Trail in Richtung Ufer des Alta Lake zu steuern. Die Runde um den Alta Lake ist ein echter Klassiker, da man hier wirklich in einem Spaziergang/einer Wanderung ein best-of-alles geboten bekommt, grandiose Ausblick auf die Whistler Mountains, ein bisschen Ufer-Wildnis, toll angelegte öffentliche Parks, riesige Neubauten sowie eindrucksvolle Blockhütten uvm. zieren den Streckenverlauf. Wer noch ein paar Details zu der ca. 10-11km langen Runde braucht, kann hier nochmal nachlesen.

Da wir uns – für unsere Verhältnisse – viel Zeit gelassen, Landschaft und Natur genossen haben, sind wir erst gegen 14 Uhr zurück an den Stufen des Hotels. Jetzt beginnt der schwierige Teil: Freizeit. Für mich kein Problem, schließlich wartet der Verkäufer im Patagonia Store bereits seit fast einem Jahr auf mich. Für meine Eltern wie gesagt, ein leichter bis mittelschwerer Brocken, den ihnen ihr Reiseleiter da zum Kauen vorgesetzt hat. Aber auch sie finden eine alternative Lösung für sich, die eine Mischung aus Siesta, Kaffee und Kuchen sowie wider Erwarten einen Bummel durch die Fußgängerzone beinhaltet.

Morgen gibt es dann wieder flächendeckendes Programm für alle.

TAG 5

Es ist Zeit weiterzuziehen bzw. in unserem Fall, den SUV zu beladen, Whistler hinter uns zu lassen und quasi immer der Nase nach in Richtung Kamloops aufzubrechen. Bereits nach 5 min. Fahrzeit springen wir aber schon aus unserem Gefährt, um den Green Lake zu bewundern, nach weiteren 10 min. Fahrt entdeckt mein Vater einen weiteren Aussichtspunkt – wir müssen reden. Ich verstehe, dass die beiden natürlich möglichst viel, bestenfalls eigentlich alles was es zu sehen gibt, auch sehen wollen – bei der heutigen Tagesetappe steht aber eine Fahrstrecke von über 400km an, wenn wir hier alle 5km halten, wird das ein laaaanger Tag. Beide nicken verständnisvoll, machen aber zeitgleich klar, dass ich dennoch rechts rausfahren soll, denn so einen Wasserfall sieht man doch nicht alle Tage.

Also gut, Nairin Falls here we go. Eine kurzweilige Wegstrecke von ca. 30 min. hin (wie auch wieder zurück) lässt schließlich folgendes Fazit zu: absolut lohnens- und auch sehenswerte Wasserfälle. Vielleicht nicht zwingend spektakulär, aber muss ja auch nicht immer.

Weiter geht es, wir rollen durch Pemberton und wollen eigentlich in Richtung Joffre Lakes und Lilooet. Eigentlich, denn unser Fahrer aka Reiseleiter aka ich ergötzt sich so in Geschichten über die Biketrails der Umgebung, den Ausblick auf Mount Currie sowie Anekdoten zu dem hier gebrauten Blueberry Sour Weißbier, dass er direkt falsch abbiegt und sich prompt verfährt. Peinlich.

Schließlich kommen wir aber dann doch noch – zurück auf der richtigen Route – zu den Joffre Lakes (die Eltern starten natürlich direkt zu Fuß durch; ich passe, da hier mttlw. Eintritt !!! verlangt wird und ich bereits mehrfach hier war. Gratis wohl gemerkt). im Anschluß passieren wir Duffey Lake und die von Waldbränden gezeichnete Umgebung von Lilooet. Weiter geht es in östlicher Richtung nach Cache Creek durch filmkulissenreifes Cowboy-Land und weites offenes – für BC irgendwie untypisches – Agrarland, bis wir die ersten Ausläufer des Kamloops Lake erreichen.

Am Hotel, direkt am Ufer des South Thompson River und etwas ausserhalb von Kamloops gelegen, angekommen, beschließen wir, das war es für heute. Sundowner Bierchen auf der eigenen Terasse in Kombination mit einer riesigen Nacho & Cheese Platte runden den Tag perfekt ab.

TAG 6

Hands down, wer Kamloops besucht und nicht ausgesprochener Eisenbahn-Fan, Mountainbiker auf der Jagd nach grandiosen Trails oder angetan von der (gruseligen) hiesigen Meth-Szene ist, wird schnell feststellen, dass der Ort an den dem sich der Thompson River in seine beiden Arme teilt, wahrlich nicht viel zu bieten hat.

Aus diesem Grund, haben wir – ohne Kamloops zu nahe treten zu wollen – das Ganze hier auch nur als eine Art Stop-Over-XL in unsere Reiseroute einfließen lassen, schließlich gibt es trotz aller Tristesse hier einige tolle und großartige Wanderareale. Unsere Wahl fällt auf den Kenna Cartwright Nature Park, ein über 800 Hektar großes Areal mit über 40km an shared-Trails (Wander- und Biker teilen sich hier das Wegenetzwerk) und zahlreichen Park- und Einstiegsmöglichkeiten. Ohne großen Plan oder exaktem Vorhaben starten wir vom Parkplatz aus los und biegen mal in den und mal in den Trail; unsere Entscheidung hierbei fällen wir nicht anhand einer Karte, sondern einfach aufgrund der Namensgebung der Wanderwege. So folgt auf Powerline, der Lava Flow Lookout und der Raven’s Roost, nur um dann am Deer Run in Richtung des Red-Tailed Hawk zu starten. Macht in der Summe irgendwie mehr Spaß als zuhause von 623 auf die 627a abzubiegen.

Nach etlichen Höhenmetern und weit über 15 km Wegstrecke sowie zahlreichen fantastischen Aussichtspunkten später und überraschend warmen Temperaturen lautet der Beschluss: genug für heute und ab auf die hoteleigenen Terrasse, denn das verdiente Feierabendbier wartet.

TAG 7

Das heutige Programm liest sich relativ unspektakulär und lässt zeitgleich den Umkehrschluss zu, dass wir es wirklich äußerst ruhig angehen lassen können, denn unser einzige Aufgabe lautet, die Strecke nach Clearwater zurückzulegen. Und dies sind gerade mal einmal 2 Stunden Netto-Fahrzeit.

Also nochmal kurz die im Inventar des Hotels aufgeführten Schafe, Lamas und Schildkröten besucht, bevor wir uns dann mit einem kleinen Umweg über allerlei Forststraßen zum Paul Lake unterhalb des Mount Harper vorarbeiten. Dort herrscht kanadische Kitschigkeit pur, wir stehen mutterseelenallein am Seeufer und schauen auf den ruhig wie ein Badezimmer-Spiegel da liegenden Paul Lake, die herbstlich gefärbte Landschaft, beobachten die Fische im glasklaren Wasser und werden einzig und allein von dem Geschnatter der Wildgänse hinter uns daran erinnert, dass wir doch nicht ganz so allein sind. Traumhaft.

Zurück im Auto sowie auf der eigentlichen Streckenführung beschließen wir, aufgrund der uns verfügbaren Zeit in Little Fort nicht nur einen Tankstop einzulegen, sondern wir auch auf den Fishing Highway abbiegen, um diesem mindestens bis zum Bridge Lake zu folgen. Dies ist keine echte Alternativ-Route nach Clearwater, sondern schlicht und ergreifend ein (sinnloser – je nach Ansicht) Umweg, welchen wir aber aufgrund der Landschaft, insbesondere der mttlw. gelb gefärbten Birkenwälder soweit das Auge reicht, gerne in Kauf nahmen.

Es bleibt allerdings zu erwähnen, dass der Bridge Lake selbst zwar riesig, touristisch gesehen aber leider nicht besonders lohnenswert ist, da er nahezu keinerlei Möglichkeiten bietet, an sein Ufer zu gelangen, geschweige denn einen echten Ausblick auf den See zu gewähren. Schade; aber so haben die einheimischen Angler und Seegrundstückbesitzer wohl auch ihre verdiente Ruhe.

In Clearwater selbst, kann ich dann endlich mal wieder ein Reiseleiter-Ass aus dem Ärmel zaubern, denn hier warteten mitten im Wald bereits 2 (von 2 möglichen) Blockhütten, ausgestattet mit allem Pipapo, auf uns. Kanada-Feeling pur.

Kurz ausgeladen, uns mit Trinkwasser versorgt und schon lief der BBQ-Grill und das Lagerfeuer brannte; dass sich meine Mutter anfangs weigerte „in der Kälte und im Schatten und um die Uhrzeit“ noch draussen zu sitzen, erwähne ich hier lieber nicht. Letztendlich streckten sich dann nämlich doch 6 Beine den wärmenden Flammen entgegen.

TAG 8

Der heutige Morgen läutete den finalen „meine Eltern sind in Kanada angekommen“-Tag ein, denn als ich nach einer Nacht Tiefschlaf hier im Nichts, an die Blockhüttentür meiner direkten Nachbarn klopfte, hieß es nicht wie gewohnt „Was nun?“ sondern, „Oh wir sind noch im Schlafanzug„. Na dann, Guten Morgen und lasst euch Zeit.

Apropos hier im Nichts, der Tourstop Clearwater macht durchwegs Sinn, liegt das kleine kaum erkennbare Örtchen doch direkt an den Toren des Wells Gray Provincial Parks, welcher mit einer Größe von über 5.000 Quadratkilometern nicht gerade klein ist. Obendrein ist er die Heimat von zahllosen Seen, Bergen, Flüssen, ja sogar Vulkanen und einem schier endlosen Netzwerk an Wanderwegen. Bei dem Stichwort „Wanderwege“ werden meine Zwei natürlich sofort nervös und wir ziehen los. Route Nr. 1 – ihr seht schon, worauf das an dem Tag wieder hinaus lief – hört auf die Bezeichnung des gleichnamigen Wasserfalls namens Moul Falls Trail. Noch sind wir das einzige Auto am Parkplatz und haben somit die ganze Tour für uns alleine. Auf zunächst breiten Wegen geht es durch den herbstlich bunten Mischwald, bis man auf kleinen Trampelpfaden zum Auffangbecken des Moul Falls hinab steigt. Wer sich am Fuße der herabstürzenden Wassermassen nicht scheut nass zu werden, kann auch noch hinter die Wasserwand des Moul Falls flitzen – wobei man hier tatsächlich ein Augenmerk auf seine Fortbewegungsgeschwindigkeit legen sollte, wer nicht schnell genug ist, wird nass bis auf die Knochen. Der Rückweg verläuft nach einer ausgiebigen Fotosession zurück über den Hinweg und schon sind die ersten Kilometer des Tages eingeheimst.

Weiter geht es zum Herzstück des Wells Gray Provincial Parks, dem 141m hohen und mehr als beeindruckenden Helmcken Fall. Ich selbst war auch nur ein einziges Mal in meinem ersten Kanada Jahr hier vor Ort, damals musste ich mit ca. 20 weiteren Personen im strömenden Regen lange Zeit ausharren, um einen Blick durch den Nebel auf das Naturschauspiel Helmcken Fall zu bekommen. Heute ist bestes Wetter, samt freiem Blick und außer unserer dreiköpfigen Reisegruppe ist niemand weit und breit zu sehen. Wir spazieren noch etwas den Rim Trail an den steilen Hochufern des Murtle River entlang, bis wir uns dann vom heimlichen Zentrum des Parks verabschieden und uns in Richtung Rays Farm aufmachen.

Natürlich wartet hier Route Nr. 3 auf uns, ein Rundweg über die weiten Flächen und der Ruine von Rays Farm, über Mineral Springs zu den Ufern des Alice Lakes und zurück zum Parkplatz. Diese Tour führt zum Teil durch wirklich undurchsichtiges Dickicht, Unterholz und meterhohe Schilfpflanzen – es war evtl. ganz gut, dass ich erst im Nachgang gelesen habe, dass man diese Tour aufgrund der großen Bären- und Wolfspopulation in dieser Gegend, nur mit griffbereitem Bärenspray angehen sollte. Hatten wir unklugerweise natürlich nicht dabei; kommt nicht wieder vor.

Da wir den ganzen Tag noch keinen See gesehen hatten, durfte ein Abstecher zum Clearwater Lake samt ein paar Gehminuten natürlich nicht fehlen, danach herrschte die einhellige Meinung vor, genug auf Forststraßen rumgefahren, genug gelaufen, genug gesehen, es wird Zeit für Lachs vom Grill und dem obligatorischen Besuch des lokalen Liquoer-Stores.

+++alle Erlebnisse von Tag 9 bis hin zur Abreise lest ihr im Text-Marathon
des 3. TEIL der KANADA MIT ELTERN Reihe +++

2 Gedanken zu “KANADA MIT ELTERN – TEIL 2

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