KANADA MIT ELTERN – TEIL 3

+++ Du hast Teil 1 und Teil 2 meines digitalen Reisebuchs verpasst?
Kein Problem, lies einfach erstmal in Ruhe alles nach. +++

TAG 9

Ein aufregender Tag liegt vor uns, denn heute heißt es mal wieder: Fahrtag. Wir verlassen Clearwater in nördlicher Richtung und machen uns auf den Weg in die Rocky Mountains mit dem Tagesziel, Jasper. Aufregend ist das Ganze deshalb, weil es nun heißt ca. 400 km lang aus dem Fenster zu starren, immer in der Hoffnung Elche, Bären (ps.: beides Fehlanzeige), Hirsche, Adler oder andere Wildtiere zu erspähen. Obendrein wechseln wir nicht nur die Provinz, sondern auch die damit verbundene Uhrzeit, da Jasper in Alberta und somit in einer anderen Zeitzone liegt. D.h. kaum ist man in Alberta, rückt das Abendessen um eine ganze Stunde näher.

Ansonsten muss ich zugeben, zieht sich diese Etappe ein wenig wie Kaugummi – zumindest wenn man davon erzählen/berichten möchte, denn bis zur Höhe des ersten größeren Ortes namens Valemount, fährt man durch landschaftliches Nichts. Der Blick aus dem Fenster lohnt zwar alle Mal, aber 2,5 Std. lang Wiesen, Felder und Wälder sowie der stetige Blick auf den North Thompson River werden zwar nicht langweilig, malen aber doch ein etwas einseitiges Bild.

In Valemount gibt es dann einen weiteres Häkchen für meine beiden Kanada-Neulinge, denn mindestens ein Besuch bei Tim Hortons ist und bleibt nun mal Pflicht. Ps.: schade, dass unsere mitgebrachten Kaffeebecher aus Pandemie- und daraus resultierenden Hygienevorschriften nicht befüllt werden durften und wir so mit den ungeliebten Pappbechern von dannen zogen.

Ein weiterer kurzer Beine-vertreten-Stop folgte als bald am Ufer des Fraser Rivers, genauer gesagt an den Rearguard Falls. Wer hier Glück hat und mit dem richtigen Timing vor Ort auftaucht, kann Lachse dabei beobachten, wie sie die enormen Stufen dieser Stromschnellen im XL-Format nach oben springen. Wir hatten leider Pech und die Lachse waren entweder noch nicht da, oder auch schon wieder weg.

Die Schlussetappe der Fahrt wird mit dem imposanten Willkommensschild des Mount Robson Provincial Parks eingeläutet, leider haben wir auch hier wieder etwas Pech, den der Blick auf den Namensgeber des Parks bleibt uns leider dank dichter Wolkenwände verwehrt. Dafür ist jetzt jeder gefahrene Kilometer wieder mit Fototapeten-Momenten überladen, gelbe Birken mischen sich unter mächtige Douglastannen, Bergseen schimmern in jedem erdenklichen Blau- und Grünton, Berggipfel spitzen durch die Wolken und bedrohlich wirkende Felswände säumen die Flanken des Yellowhead Highways.

In Jasper angekommen – wir sind in einem herrlichen Hotel etwas außerhalb von Jasper, am Ufer des Pyramid Lake, untergekommen – ist bei allen der Ruf nach Frischluft und ein wenig Bewegung laut. Gut, dass das Hotel, nebst eigenem Steg auch noch eine ganze Armada an Ruderbooten, Kajaks und Kanus im Angebot hat; ist mal was anderes, als sich nur die Füße zu vertreten.

Den Abend haben wir in der etwa 15 Fahrminuten entfernten Wilderness Kitchen ausklingen lassen, welche ich hiermit zwingend jedem auf dieser Strecke ans Herz legen möchte.

TAG 10

Wenn es bereits früh morgens „Was nun?“ durch den Flur der Unterkunft schallt, weiß ich, die Beiden sind wohlauf, ausgeschlafen und bereits mal wieder fertig und schon erlebnisbereit. Banane, Joghurt und Kaffee ergeben eine wilde Frühstücksmischung und ich eile, den Rucksack greifend, zum Auto.

Das heutige Ziel (der beiden), soviel Kilometer und Wandermomente wie nur gerade möglich in die eigenen Beine zu laufen. Wir steuern den Trailhead (Ausgangspunkt) der Valley-of-the-five-Lakes Wanderung, kurz vor den Toren Jaspers, an. Während wir die Wanderschuhe schnüren, beginnt uns das Wetter bereits ein wenig Sorgen zu machen. Leichter Nieselregen setzt ein und dunkle Wolken ziehen am Horizont auf. Egal, los gehts.

Natürlich entscheiden wir uns für die größte Option der Tour, und biegen nach links in Richtung zurück nach Jasper ab, um für die nächste Stunde mutterseelenallein durch den kanadischen Wald zu streifen. Traumhaft. In einer leichten rechts Kurve wird der Weg dann kurzzeitig etwas unübersichtlich und man muss sich auf die eigene Orientierung verlassen – erreicht man nach ca. 15 min das Ufer von Lake V hat man alles richtig gemacht. Wenn nicht: viel Glück.

Ab diesem Zeitpunkt sind wir dann nicht mehr ganz allein auf der Tour; in der kanadischen Relation bedeutet dies aber, wir treffen in den nächsten 1.5 Std. und weiteren 4 Seeufern auf exakt 9 weitere Wanderer – das ist überschaubar.

Das Wetter war übrigens gnädig mit uns, denn erst als das Auto bereits in Sichtweite kommt, beginnt es wie aus Eimern zu regnen und zu stürmen. Bedeutet für uns allerdings, dass wir den geplanten kompletten Wandertag, bereits gegen 13.30 Uhr mit „nur“ einer einzigen Vormittagstour beenden müssen.

Wir beschließen für den Rest des Tages eine Mischung aus „Freizeit“ und ein wenig „Landschafts-Sightseeing“ aus dem Auto heraus anzusetzen, was sich als sehr gute Wahl herausstellt, da sich die vormittägliche Wanderung nun doch mit dem einen oder anderen müden Bein bemerkbar macht.

Beim abschließenden Abendessen durfte ich dann noch eine Lektion fürs Leben lernen, die mich immer noch schmunzeln lässt. Wer beim Lesen der Dessertkarte bei den Worten „Alaskan baked Cheesecake“ genauso aufjubelt wie ich und selbigen bestellen möchte, dem sei gesagt, dass dies lediglich die unfassbar gelungene und kreative Umschreibung für GEFROREN ist. (nein, leider nicht zu empfehlen).

TAG 11

Ein Urlaubstag, der mit einem klingelnden Wecker beginnt, ist kein guter Tag. Falsch, denn für das geplante Tagesprogramm würde ich persönlich egal wann aufstehen. Die magische Kombi aus Medicine Lake, Maligne Lake und Maligne Canyon ist das für heute erklärte Ziel.

Mit den ersten Sonnenstrahlen des Tages – danke Wettergott – rollten wir los und folgten der Maligne Lake Road Windung um Windung nach oben. Der erste Halt für Ausblick und Fotos bot der Parkplatz etwas überhalb des Medicine Lake; außer uns ist nur ein Harley-Fahrer bereits unterwegs und ebenfalls vor Ort.

Weiter geht es, am See entlang durch von Flammen gezeichnete Waldbestände, hinauf zum Maligne Lake. Ein kurzer Blick auf die Uhr verrät, der von uns gebuchte Boat Cruise beginnt erst in etwa 1.5 Stunden, daher nichts wie rein in die Wanderschuhe und nochmal schnell den Mary Schäffer Loop ablaufen. So ist nicht nur die Wanderseele glücklich, sondern man hat sich zeitgleich einen ersten Eindruck des Maligne Lake, seines ikonischen Bootshauses, den zugegebenermaßen winterlichen Temperaturen und der Ruhe des Waldes verschafft.

Pünktlich wie ein Schweizer Uhrwerk legt dann unser Boot – natürlich mit uns an Bord – ab und steuert das am anderen „Ende“ des See gelegene Heiligtum der Stoney Nakoda First Nations an, eine Insel namens Spirit Island.

Das Betreten der Insel ist einzig und allein Stammesangehörigen erlaubt, da die paar Quadratmeter Boden der Insel wie oben erwähnt als heiliger Ort gelten. Wer meinen Artikel zum letzten Besuch des Maligne Lake gelesen hat (ps.: wer jetzt noch mehr Details haben will, gerne reinklicken), der wird sich ggf. daran erinnern, dass die Stoney Nakoda Spirit Island dazu nutzen, um Zeremonien für ihren Stamm abzuhalten, sich von dort aus mit Mutter Erde und anderen Göttern in Verbindung setzen und aus diesem Grund auf der Insel ein „goldener“ Speer sowie ein Schild als Markierung hinterlassen wurden. Leider hat sich hier die Menschheit mal wieder selbst übertroffen, denn eines Tages im Jahr 2020 waren diese beiden heilige Relikte plötzlich verschwunden und man geht davon aus, dass aufgrund der lockdown-bedingten Isolierung des Sees, jemand die Zeit genutzt, sein Kajak auf Spirit Island anlandete und die Utensilien gestohlen hat. Ganz große Klasse, wirklich!

Wir gingen, wie es sich von selbst versteht, auf dem Aussichtspunkt für Spirit Island – alle Regeln, egal ob Covid- oder First Nations, einhaltend – an Land und genossen diesen, man muss es so sagen, majestätischen und inspirierenden Anblick der kleinen Insel.

Gedankenverloren erfolgt die Rückfahrt im Boot, wie auch bereits im Jahr 2017, eher andächtig schweigsam und die Melancholie des gerade Gehörten und Gesehenen, fällt erst beim Verlassen des Bootes von unserer Kleinstreisegruppe wieder ab. Natürlich wird der Ruf nach einer kleinen Wanderung laut; dass brächte uns auf andere Gedanken, lerne ich.

Vom Maligne Lake fahren wir, den Medicine Lake erneut passierend, zurück zum Maligne Canyon und beschließen dort an der Jahrhunderte alten Felsschlucht noch ein paar Brücken (hier rechnet man nicht in Kilometern, sondern in Brücken… spätestens vor Ort, wird es jeder verstehen) hinab zu wandern. Wer die Runde von der First Bridge startet, der geht – wie wir – zuerst hinab, wer von der Fifth Bridge startet, geht logischerweise demnach zuerst bergauf. Ich persönlich kann die Runde „Brücke 1 bis 4“ empfehlen, da sich Nr. 5 im Vergleich zu den anderen einfach nicht mehr wirklich lohnt.

Auf dem Weg zurück zum Hotel entdeckt meine Mutter eine Abzweigung zu einem erneuten Edith Lake, den müssen wir natürlich noch sehen (und daran entlang laufen – Ehrensache.). Das darauffolgende Bear Ale der Jasper Brewing Company mit den wunderbar dazu passenden Spareribs besiegeln das Ende eines umwerfenden Tages.

TAG 12

Der heutige Tag beginnt sogar noch früher als der Gestrige. Das erklärende Warum, ist erst auf den zweiten Blick erkennbar, denn die Grundaussage lautet: Fahrtag von Jasper nach Banff; respektive Canmore. Der zweite oder gar google-maps-basierte Blick verrät, die (einzige) Strecke dazu verläuft über den Icefields Parkway, eine Straße die man wahrscheinlich oder hoffentlich ähnlich wenig erklären muss wie bspw. den Highway Nr. 1 in Kalifornien.

Möchte man bei einer Gesamtstreckenlänge von lächerlichen 288 km geradezu auflachen, dem sei gesagt, das ist an einem Tag nur mehr als knapp zu schaffen. Wieso? Der Icefields Parkway ist ein befahrbares Naturerlebniskino mit Highlights im 5 Kilometertakt, sprich man kommt einfach nicht zügig vorwärts. Will man aber auch gar nicht; um ehrlich zu sein: ich würde sogar gerne meist noch langsamer fahren. Obendrein laden, nein zwingen einen, zahllose Pull-outs, Aussichtspunkte und Mini-Wanderungen ein, die Zündung aus zu machen, auszusteigen und zu staunen.

Meine Eltern kleben mit den Nasen an der Innenseite der Autoscheiben und ich muss schmunzeln, da ich mir selbst bei meiner ersten Icefield Parkways Befahrung nichts sehnlichster als Chamäleon-Augen für den passenden Rundum-Blick gewünscht hätte. Den Beiden ging es gerade genau so.

Bei einer etwas längeren Pause in der Nähe des Columbia Icefields stieß mich mein Vater an, er habe da für heute noch eine Wanderung im Sinn. „Nein, welch Überraschung, wirklich?“ schmunzle ich und hake nach, was er sich denn da vorgestellt hatte. Mein Vater nannte sein Ziel und mir bleib der Schluck Cranberry Ginger Ale (ein Muss in Kanada) fast im Halse stecken. Ich vergewisserte mich, ob das sein Ernst sei, einem unschuldigen Blick und Achselzucken folgte ein „Ja,scho“. Ich nicke und vertröste ihn, auf noch ca. 15-20 min Autofahrt, um dann sein Vorhaben nochmals unter die Lupe zu nehmen.

Gesagt, getan. Etwa 4 km in südlicher Richtung später, bringe ich das Auto zum Stehen und spähe durch die Windschutzscheibe nach draussen. Es liegen ca. 20 cm Schnee, der Parkplatz gleich einem Eislaufplatz und der Sturm rüttelt erbarmungslos an unserem Jeep. Ich drehe mich um und ernte lediglich ein „jaja, ist schon gut“. Die Wanderidee ist damit vom Tisch. Ich muss aber hinzufügen, dass die grundsätzliche Idee meines Vaters, den Parker Ridge Trail zu begehen, eine wunderbare und durchaus machbares Vorhaben gewesen ist. Aufgrund meines Heimvorteils wusste ich allerdings bereits an dem Punkt an dem mein Vater mir den Vorschlag unterbreitet hatte, dass sich allein der Start !!! der Tour auf über 2.000m Höhe befindet, dass wir bereits am Punkt unserer Unterhaltung -3° Aussentemperatur samt starkem Wind hatten und dass wir uns wahrscheinlich auf Schnee und Eis einstellen müssen würden. Insgesamt alles keine guten Vorzeichen, die sich allesamt bewahrheiteten. Schade; den an sich ist der Parker Ridge Trail eine absolute Top-Empfehlung – nicht nur von meinem Vater.

Wir fuhren weiter; passierten Sasketchewan Crossing, froren uns am Mistaya Canyon fast den Allerwertesten ab, blickten auf den Waterfowl Lake, mussten bestürzt feststellen, dass der gesamte Parkplatz/Viewpoint des Peyto Lakes (der See mit der Form eines Koyoten) aufgrund von Restaurierungsarbeiten bis Frühjahr 2022 geschlossen war und rollten schließlich auf den rundum erneuerten (Groß-)Parkplatz des Lake Louise.

Hier herrscht wie immer reichlich Betrieb, zur Ehrenrettung des von mir – aufgrund des Tourismus-Overkills – gar nicht gemochten Sees, muss man sagen: es ist im Vergleich zu vorherigen Besuchen allerdings wahrlich nicht viel los. Ein Segen, dass Busreisen aufgrund der pandemischen Lage untersagt bzw. überhaupt nicht gefragt zu sein, scheinen.

Wo ein See, da auch Wanderweg – mttlw. dürfte jeder wissen was das bedeutet. Also los, erstmal zum hinteren Ende des Sees, direkt unter den Gletscherbruch gewatschelt, die dortige geplante Abzweigung hinauf zum Teahouse macht uns allerdings ein „Bear in area“-Schild zu nichte. Auf dem Rückweg schaut dann sogar noch die Sonne etwas hinter den Wolken hervor und sorgte für einen minimalen, zumindest gefühlten, Temperaturanstieg.

Fehlt eigentlich nur noch ein letzter Haken auf der must-see-Liste für den aktuellen Routenabschnitt unseres gemeinsamen Roadtrips. Der kleine, aber um ein vielfaches spektakulärere Nachbar des Lake Louise namens Morraine Lake. Hände nochmal als Lenkrad, mental schon den Blinker rechts gesetzt und das Ziel nach ca. 12 km Bergstraße bereits fest vor dem geistigen Auge, reißt mich ein riesiges Sperrschild samt mobilem Schlagbaum zurück in die Realität. Die Straße nach oben ist gesperrt, man solle sich online in einem der Shuttlebusse registrieren und dann auf dessen Abfahrt warten, war die grob zusammengefasste Aussage des Warnschildes. Drei Augenpaare starrten offensichtlich mit fassungslosem Dackelblick aus dem Auto heraus auf besagtes Schild, bis wir den lachenden Security-Posten und seines Zeichens Bewacher des Schlagbaums, bemerkten, der uns wild gestikulierend andeutete, weiter zufahren und dabei lässig den Schlagbaum nach oben gleiten liess.

Im Auto brach Jubel aus, winkende Arme schoßen aus den geöffneten Fenstern, Daumen-nach-oben und Victory-Zeichen wurden geformt und der Reiseleiter feuerte eine Hupsalve nach der anderen in die kanadische Dämmerung. Ich glaube der Wächter des Schlagbaums erinnert sich noch heute an uns.

Der Morraine Lake selbst, lieferte wie immer mehr als sehenswert ab. Aufgrund seiner genialen Lage zwischen rauen Felswänden und dunkelgrünstem Nadelwald und seiner unverkennbaren Farbe, fällt es dem See aber auch nicht allzu schwer, zu begeistern. Leider habe ich es noch nie zu den besten Fotozeiten (blaue oder goldene Stunde) nach hier oben geschafft, so dass mir seine wirkliche volle Pracht bis dato verborgen blieb.

Da auf Dämmerung meist Dunkelheit folgt, verlieren wir keine Zeit – obendrein verleiten Wind und Temperatur eh nicht zum Verweilen – und fahren alsbald unserem heutigen Ziel Canmore entgegen. Ein kurzer Supermarkt-Stop offenbart noch den Blick auf das abendliche Menü: gegrillte Portobello-Pilze, Lachs, Burger und Bier. Sprich: Canadian Allstar Diner.

TAG 13

Der Morgen beginnt mit einem spektakulär in nur jeglichem erdenklichen rötlichen Farbton leuchtenden Himmel über unserer Unterkunft; der Falcon Crest Lodge am Rande von Canmore. Ein kurzes Frühstück und einige Tassen Kaffee später verlassen wir auch schon die unfassbar riesige 3 Zimmer „Familiensuite“ (Ps.: just wow) und machen uns auf den Weg Richtung Banff. Den Ort selbst lassen wir allerdings im wahrsten Sinne der Landkarte links liegen und biegen kurz hinter Banff nach rechts in den Bow Valley Drive ab. Diese absolut empfehlenswerte Alternative-Route in Richtung Lake Louise (oder auch umgekehrt) führt quasi parallel zum Trans Canada Highway, ist aber bei Weitem weniger befahren. Auch wenn der Bekanntheitsgrad des Bow Valley Drives in den letzten Jahren stark angestiegen ist, die Straße selbst ist immer noch die Alte: schmal und mit zahlreichen Geschwindigkeitslimitierungen der Marke „langsam“ versehen. Was, sofern man nicht schnell von A nach B kommen möchte, die perfekte Gelegenheit ist, nach Wildtieren Ausschau zu halten oder die Landschaft Albertas in sich aufzusaugen.

Der Bow Valley Drive bietet ein unzähliges Angebot an Halte- Wander- oder einfach nur Aussichtsmöglichkeiten; mindestens zwei davon sind ein Muss. Sagt man zumindest. Stop 1 – von Banff kommend – ist der Parkplatz des Johnston Canyon; meine beiden wanderwütigen Mitreisenden scharren vor Freude schon mit den Schnürschuhen, denn schließlich heißt es jetzt: durch den Canyon zu diversen Wasserfällen spazieren. Genauer gesagt, zu den beiden markanten Weg- und Wasserfallpunkten namens Lower und Upper Falls. Der Spaziergang/die Wanderung ist nett, morgendlich kalt und gewinnt zum Schluß hin auch noch ein paar Höhenmeter – um aber ehrlich zu sein, warum dieses vermeintliche Highlight meist stets überfüllt (oftmals sogar wegen Überfüllung geschlossen) ist, entzieht sich unserem Verständnis. Mag aber auch daran liegen, dass wir bspw. mit der heimischen, bei Garmisch gelegenen, Höllentalklamm einen doch wesentlich eindrucksvolleren „Canyon“ vor der Haustür haben; und nach bereits gesehenen 37 Wasserfällen, sind dann Nr. 38 & 39 eben auch nicht mehr ganz so wow.

Wir zuckeln weiter Lake Louise entgegen und verrenken uns – leider wie jedes Jahr erfolglos – die Augen nach Elchen oder (ausgewachsenen) Longhorn Schafen. Am Zweiten, jetzt aber wirklich echten, Highlight, der Morant’s Curve sollte wirklich jeder einen kurzen Stop einlegen. Gesagt, getan. Um ehrlich zu sein, es handelt sich hier lediglich um einen Blick auf eine Schienenkurve der kanadischen Eisenbahn, aber was das für ein Ausblick ist. Als würde man im Bilder-Duden unter dem Wort Kanada nachschlagen. Unglaublich schön. Wer Glück hat, oder einen der stets anwesenden Train-Spotter/Fotografen auf den Zeitplan anspricht, bekommt mglw. sogar die Überdosis Kitsch und erhascht die legendäre Kurve samt Zug. Uns bleiben diesmal aber nur Schienen und Landschaft.

Vom Bow Valley Drive geht es an der Kreuzung direkt neben den Skipisten von Lake Louise wieder auf den Trans Canada Highway in Richtung Field. Dem Tumult auf Beifahrersitz und Rückbank zufolge lässt sich leicht erkennen, eine Wanderung steht auf dem Plan. Das erklärte Ziel ist der Emerald Lake im Yoho National Park, genau dieses Ziel scheint es, haben sich heute mehr Leute ausgesucht und so müssen wir erstmals in diesem Urlaub einige Extrarunden drehen, bis wir einen der wirklich sehr knapp bemessenen Parkplätze erhaschen. Kaum aus dem Auto ausgestiegen, fängt es leider auch zum Tröpfeln an – für Familie Gore-Tex kein Problem – zwei Drittel der Anwesenden aber flüchten, egal ob das Vorhaben Wandern, Kajak’en oder Fotografieren gewesen wäre, zurück in die Autos oder in das kleine Café der Emerald Lodge. Gut so; weniger Trubel für uns.

Wir ziehen direkt los, um den See im Uhrzeigersinn zu umrunden. Dies ist definitiv keine Tour mit monströsen Ausmassen, 1.5 – 2 Stunden darf man aber schon einkalkulieren, da gerade auf der anderen Seeseite der Weg mehr zu einer Art Balanceakt durch den Morast wird. Gerade bei Regen. Obendrein muss man nahezu alle 50m einen Fotostop einlegen – und dass obwohl es regnet und die Wolken leider sehr tief über bzw. auf den umliegenden Bergen hängen. Dennoch eine großartige Runde, auf der es, je mehr man sich vom Parkplatz entfernt, auch immer einsamer wird. Am Schluß bzw. ab ca. Mitte des Sees sind es mal wieder nur wir drei, die durch die kanadische „Wildnis“ wackeln. Das sind einfach die besten Momente; trotz der insgeheimen Gratwanderung aus absolute Ruhe geniessen und nervös auf die Geräuschkulisse des Waldes achten. This is bear country.

Auf dem Rückweg machen wir noch den ein oder anderen Aussichtspunkt-Halt und beschließen im Kollektiv, dass wir dem Touristenauflauf in und um Banff keinen Tribut zollen, sondern uns lieber auf ein erneutes Balkon-BBQ freuen inklusive Füße hochlegen und den Tag am Kaminfeuer ausklingen lassen.

TAG 14

Der letzte wirklich Urlaubstag bricht an, dass bedeutet nicht nur, dass diese unfassbar gute Tour bald vorbei ist, sondern wir heute auch die Bergwelt der Rockies verlassen und auf den morgigen Abflugort Calgary zusteuern müssen. Daher lautet das Tagesmotto, noch ein letztes Mal, so viele Kanada-Momente wie nur möglich in die nächsten paar Stunden zu pressen. Und laut diversen Experten gelänge dieses Vorhaben am Besten mit einem Ausflug nach Kananaskis Country; einem angeblich sehr ursprünglichem Landstrich an den Ausläufern der Rocky Mountains. Geschichten über die Schönheit und Einzigartigkeit dieses Tals hatte ich schon viele gehört, vor Ort war ich selbst noch nie.

Die Anfahrt ist schon mit etwas Wehmut gespickt, denn zunächst verlässt man die gewohnte Bergwelt und fährt ein paar Minuten durch flaches Ackerland, bis einen der Wegweiser vom Trans Canada Highway hinunter und „zurück“ in die Berge holt.

Machen wir es kurz, das irrsinnig weitläufige Areal, welches als Kananaskis Country bezeichnet, ist einfach unglaublich und sucht seinesgleichen wohl vergeblich. Atemberaubende Landschaften treffen auf eine überraschende Einsamkeit – es gibt nahezu keinerlei Siedlungen oder gar Städte/Orte innerhalb dieses riesigen Tales – und verschlagen einem Kurve für Kurve erneut die Sprache. Staunend und schweigend fahren wir in wenig mehr als Schritttempo durch diese Bilderbuchlandschaften. Mit Worten nicht zu beschreiben, DAS ist der definitiv schönste Flecken Kanadas den ich bis dato sehen durfte. Mark my words.

Ob meine Eltern genügend Einheiten auf ihren heutigen Kilometerzähler bekommen, fragt ihr euch? Wohl kaum, wir machen zwar den ein oder anderen Stop, um mal 5 Minuten hierhin oder 10 Minuten dorthin zu spazieren, größere Runden/Touren sind aber von der to-do-Liste gestrichen. Das Ganze hat einen leider triftigen Grund, denn 48 Std. zuvor wurden exakt hier in der Gegend zwei Wanderer von einem Grizzlybären angegriffen, wobei mit wenig Überraschung und aller Tragik nur der Bär überlebte.

Nachdem wir stundenlang kreuz und quer im Autokino-Modus durch die großartigsten Wald- und Bergszenerien gefahren waren, fällten wir schweren Herzen irgendwann den Beschluss, uns loszueisen und die nun offizielle Fahrt nach Calgary anzutreten. Ungefähr auf Höhe der Pocaterra Ridge wende ich das Fahrzeug und drücke auf das Gaspedal, nur um Sekunden später direkt wieder abzubremsen und auf einen riesigen Fellball mit auf der Fahrbahn vor uns zu starren. Ein Grizzly. (Fast) Unser aller erster Grizzly.

Direkt überfordert, weiß keiner genau was er nun tun soll. Meine Mum weint vor Freude und ruft nach Fotos. Mein Vater fingert hektisch auf der Rückbank zwischen Kamera und Smartphone hin und her. Ich starre mit offenem Mund aus der Windschutzscheibe, vergesse meine Kamera und drücke lediglich zweimal mit dem Handy auf den roten Knopf.

So plötzlich wie Meister Petz vor uns auf der Straße erschien, so plötzlich entschloß er sich auch wieder in den Wald zu donnern. Das ganze Spektakel dauerte in Echtzeit nur wenige Sekunden, fühlte sich aber wie eine Mischung aus Ewig und noch kürzer als die genannte Echtzeit an. Wahnsinn, was ein Erlebnis. (und jetzt mal Hand aufs Herz, ein Glück, dass wir uns gegen das Wandern entschieden hatten, denn diesen Koloss hätte ich ungern ausserhalb des „schützenden“ Autos treffen wollen…)

Jetzt war Stimmung im Auto, die eigentliche Rückreise-Melancholie war vergessen und so verflogen die letzten 100 Kilometer bis zu den Wolkenkratzern von Calgary Downtown ohne weitere Vorkommnisse. Als einem der Parkservice am Hotel dann Autoschlüssel und Koffer abnahm, fühlte es sich schon etwas komisch an, zurück in der – überspitzt gesprochenen – Zivilisation angekommen zu sein. Was solls, Berge, Wälder, Seen, Flüsse und Wasserfälle hatten wir ja jetzt wahrlich genug. Nein, hatten wir nicht bzw. man kann davon nicht genug bekommen, aber lassen wir das – schließlich ist in der Bar unweit des Hotels noch Happy Hour und 3 Abenteurer haben Durst.

HEIMREISE & FAZIT

Der letzte Tag beginnt mit absolutem Luxus, Frühstück im Hotel – sowas findet man in Kanada (wie auch in den USA) nur selten und wenn es dann auch noch so lecker wie meine Eggs Benedict ist, fällt der nahende Abschied um so schwerer.

Direkt im Anschluß hat meine Mum mit dem Blick aus dem Fenster – direkt auf den Calgary Tower – noch eine grandiose Anmerkung „Kann man da eigentlich hoch?“ lautete die Frage in den auf Arktisniveau herab gekühlten Frühstücksraum. Natürlich kann man, und wir erst recht. Und so haben wir uns als letzte Amtshandlung vor unserem Heimreise-Marathon mit sagenhaften Weit- und Tiefblicken aus 190,8 Metern Höhe gebührend von Albertas Hauptstadt – samt Blick auf die Rockies – verabschiedet.

Warum Marathon? In Anbetracht der Umstände, der Einreise-Regelungen und den stets wechselnden Bestimmungen im Zeitalter von Covid-19 hatten wir im Vorfeld beschlossen, unseren Rückflug von Calgary nicht direkt nach München bzw. nach Frankfurt zu buchen, sondern den Umweg über Vancouver in Kauf zu nehmen. Hätte im Fall der Fälle einer von uns in Quarantäne – gesundheitlich oder durch Regierungsbeamte verordnet – gemusst, wäre es ein Leichtes gewesen, die Reise so anzupassen, dass wir 3 dennoch so nah wie eben möglich zusammen geblieben und gereist wären. So hätten wir nach – gehen wir vom Guten aus – dem „Frei-Testen“ zwar unsere Reiseroute ändern müssen, uns aber nicht mehr in Hochgeschwindigkeit durchs Land nach Calgary quälen müssen, nur um eine Chance auf den Weg nach Hause zu bekommen.

Und so hieß es dann Calgary – Vancouver, warten und shoppen, Vancouver – Frankfurt, bereits völlig ko sein und weiter warten, Frankfurt – München, in ein Taxi fallen, unsere Heimatadressen stammeln und zu guter letzt dank der massiven Zeitverschiebung nach fast 30 Stunden wach, in die jeweils heimischen Betten zu fallen.

Fassen wir es umgangssprachlich und möglichst einfach zusammen: WAS FÜR EIN GEILER TRIP.

War es anstrengend? Ja.
Gab es die ein oder anderen Differenzen? Ja.
Sind wir alle 3 zwar eine Familie aber dennoch grundverschiedene Menschen? Ja.
Haben wir alle eigene Reiseroutinen, die bei den anderen auf Unverständnis stoßen? Ja.
War ich ab und an etwas zu ungeduldig? Gewiss.

Aber wenn man ehrlich ist, wussten wir drei von all diesen Parametern bereits im Vorfeld (einem gemeinsamen Kalifornien-Roadtrip sei Dank) und haben uns dennoch oder vielleicht auch gerade ein bisschen deshalb für die Machbarkeit dieser Reise entschieden. Aus der Warte des Kindes gesehen, hat jeder „nur“ ein Paar Eltern und gerade mit zunehmendem Alter aller Beteiligten geht es immer mehr darum den Faktor gemeinsame Zeit schätzen zu lernen. Da sind dann bspw. für mich solch Reisen kein Müssen sondern viel mehr ein Dürfen und auch Wollen, wenn es darum geht, etwas in unserem illustren Dreierpack zu unternehmen. Aus diesem Grund würde ich sagen, die Reise war mehr als nur ein voller Erfolg, Kanada hat unglaublich abgeliefert und geht damit als unvergesslich in die Geschichtsbücher aller Beteiligten ein.

Es war mir ein Fest, ihr nimmermüden Wanderer ♥︎

R.

(ein letztes Ps.: für diese Reise / diesen Ablauf muss keiner zwingend seine Eltern dabei haben – das Ganze würde auch allein, mit Kind und Kegel, mit Freunden oder dem Stammtisch der westfälischen Kegelbrüder funktionieren (dann aber bitte ohne mich!))


Ein Gedanke zu “KANADA MIT ELTERN – TEIL 3

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