Der Winter in diesem Jahr bietet ebenso wenig Anlass zur Freude, wie Erlebnismöglichkeiten in mitten der weißen Pracht. Wobei man hier bei den Einschränkungen zumindest eindeutig zwischen Verbot und Menschenmassen unterscheiden muss bzw. kann. Skifahren oder Snowboarden ist offiziell raus; im eigenen Land, ebenso bei allen Nachbarn – hierauf möchte ich auch gar nicht weiter eingehen. Zu tief sitzt der Stachel. Als Restoptionen bleiben dann noch die neuen Trendsportarten, Rodeln & Schlittschuhlaufen – was unmöglich eine Option sein kann, da man hier nicht nur mit ein paar Personen in Kontakt kommt, sondern sich direkt mit mehreren Hunderten konfrontiert sieht. Ebenfalls als solala-Optionen zähle ich joggen & radfahren… Leute, es ist Winter. Und der Notnagel Spazierengehen ist ausnahmslos den Werktagen vorbehalten, was also bleibt noch?
Kurzum, die Berge – samt einer winterlichen Besteigung der selbigen. Hier wartet aber das nächste Problem – wir gehen mal davon aus, dass Tagesausflüge erlaubt und der jeweiligen Landkreis nicht als eine Art Sperrbezirk gilt – fallen doch hier nun am Wochenende ebenfalls ortsfremde Ausflügler über die Voralpenregion her, wie eine Ameisenkolonie. Es gibt doch auch nichts Schöneres, als an den beliebten Hotspots der jeweiligen Region, im Gleichschritt und in groß angelegter Karawane bspw. auf die kaum bekannte Neureuth oberhalb des Geheimtipps Tegernsee zu wandern. Wer sich bei all dem Gedränge, welches übrigens nicht erst am Berg, der vorschriftsmässig geschlossenen Hütte oder dem Gipfelkreuz des Hotspots, sondern bereits bei der Parkplatzwahl über den oftmals aufkeimenden Unmut der ortsansässigen Einheimischen wundert, dem ist wahrlich nicht zu helfen. Aber, ich schweife ab. Zurück zum Thema, die Berge.
Es gibt sie. Es gibt sie wirklich. Touren bei denen man fast alleine unterwegs ist, Touren bei denen man (bis zu einem gewissen Grad) gut und fair parken kann und vor allem Touren die auch im Winter ein absoluter Genuss sind. Einer meiner persönlichen Favoriten ist hierbei der Wendelstein – obwohl, und das mag überraschen, weniger Geheimtipp als schlicht und einfach nicht überlaufen!
Die Grundvorraussetzungen für die gleichen folgenden Touren lesen sich wie folgt:
Festes Schuhwerk
Grödeln (eine Art Schneeketten für Bergschuhe)
Kondition & Technik (Trittsicherheit etc.)
Rucksack
Verpflegung (Tee & Müsliriegel etc.)
Wechselshirt (Funktional oder Merino)
Notfall-Ausrüstung (Erste Hilfe Set, Handy, Decke etc.)
DER WENDELSTEIN
Wie gesagt, der Wendelstein ist zwar unter Garantie kein waschechter Geheimtipp, aber mit den aktuellen Vorraussetzungen (geschlossene Bergbahn, kein Skibetrieb und eben Winter) eine tolle Option für ein grandioses Bergerlebnis in der Alpenregion Tegernsee-Schliersee. Das Beste, der Ausgangspunkt dieser Tour, der riesige Parkplatz der Wendelstein-Bahn in Osterhofen bietet Platz für alle. Die Tages-Parkgebühr von 3€ kann (passend) bar oder mit der Karte bezahlt werden und versteht sich hoffentlich von selbst.
Man startet hinter dem Haus der Talstation und folgt ab diesem Zeitpunkt dem gut ausgeschilderten Weg Richtung dem besagten Ziel, dem Wendelstein. Alsbald geht es ein kleines Teilstück über eine Fahrstraße, sowie einem kleinen Wald- und Wiesenweg hinauf Richtung Siglhof; wer Glück hat, sieht auf dem Weg die dort einst importierten schottischen Hochlandrinder (ggf. sogar Lamas) durch den Schnee stapfen. Hinter dem Siglhof geht es zunächst auf breiter verschneit/vereister Forststraße einige Windungen nach oben, bis man auf einen kleinen Pfad – gut eingetreten – wechselt und mit selbigen im Wald verschwindet. So steigt man am Rande der Talabfahrt nach oben, bis man am Fuße des Lastenliftes der Sigl-Alm ankommt – ab hier wird es etwas steiler und beschwerlicher. Obendrein knickt der Weg nach links ab, was aufgrund der oftmals zahlreichen Fußspuren gar nicht so leicht zu erkennen ist. Wer richtig abgebogen ist, muss sich nicht durch den Steilhang nach oben kämpfen, sondern folgt dem Pfad im Wald und kommt erst kurz vor der Hütte wieder zurück auf den eigentlichen Skihang. Von der Sigl-Alm bis zu den Wendelstein-Almen ist es dann nur noch ein Katzensprung und erstmal taucht auch der massive Felsblock des Wendelstein-Gipfels auf. Beste Sicht auf Bergstation, Kapelle und Observatorium garantiert.
Ab hier heißt es wieder ein wenig „Augen auf bei der Wahl des Weges“; folgt dem Hauptweg – wenn ihr an einer Baumgruppe mit einem gelben Wegweiser ankommt, habt ihr alles richtig gemacht. Wir folgen dem Wegweiser und queren den Hang unterhalb des mächtigen Gipfelmassives, hier ist der Weg wieder eindeutig – wird leider auch auch immer glätter und ist oftmals blankes Eis. Dank der dringend erforderlichen Grödeln, ist dies aber kein Problem. Ab dieser Passage gilt es nicht nur konzentriert zu gehen, sondern auch die Augen offen zu halten, denn ein Wendelstein-Besuch ohne Gemsen-Sichtigung ist nahezu unmöglich. Eine oder zwei von ihnen lass sich bei aufmerksamer Beobachtungsgabe, guten Windverhältnissen und angepasster eigener Akustik nahezu immer erspähen. (Ps.: mein eigener Erspäh-„Rekord“ liegt bei einer gesamten Familie/Herde von 6 Gemsen)
Sobald wir unter den Seilen der Bergbahn hindurch wandern, gilt es eine Entscheidung zu treffen, in Gehrichtung rechts abbiegen, um zur Bergstation & Kapelle* zu gelangen oder spart man sich diese 15 min. (einfach) durchwegs rutschigen Aufstiegs und setzt direkt zum Rückweg an? (*wer bis ganz nach oben/zum Observatorium möchte, muss ab der Bergstation nochmals ca. 40 min. Gehzeit einplanen. Ps.: Aussicht ist zwar lohnenswert, der Weg aber leider nicht – daher gehe ich persönlich nie bis ganz nach oben)
Kommen wir zum Rückweg, hier gilt, viele Wege führen zurück nach Osterhofen… Der von der Orientierung her einfachste und schnellste, ist sicherlich der Abstieg über den Aufstiegsweg. Der Abstieg über die Spitzingalmen nach Geitau aber eher die Empfehlung, sowie der Abstieg mit ein paar extra Metern rund um das Türkenköpfl mein absoluter Favorit. Bei beiden Wegen ist ein wenig Vorsicht geboten, wenn der Weg zu den Spitzingalmen – man folgt dem Schild nach Geitau – nicht eingetreten und somit ungespurt ist, würde ich nicht ortskundigen Personen dringend davon abraten. Sofern der Weg aber offensichtlich erkennbar ist, folgt man selbigem bei hoffentlich schönstem Sonnenschein bis zum Plateau der Spitzingalmen.
Wer die Extrameile gehen möchte, muss mir nun etwas vertrauen, denn wir folgen zunächst dem Wegweiser „Bad Feilnbach“ und steigen hinab in den Schatten, quasi fast in den Rücken des Wendelsteinmassivs. Bald schon folgen wir dem mttlw. flachen Weg in Blickrichtung des Brünnsteins und stellen fest, Nordhänge sind wirklich kalt. Handschuhe und Mützen finden trotz bestem Wetter nun ihren Einsatz, während wir unter- und hinterhalb des Türkenköpfls entlang marschieren. An den nächsten Wegweisern ignorieren wir unser Kurzzeitziel „Bad Feilnbach“ und gehen nun Richtung Schweinsberg. Keine Bange, es geht nur wenige Meter nach oben auf den Kamm – Vorsicht, hier oben versteckt sich irgendwo unter der Schneedecke ein Stacheldrahtzaun, der überwunden werden muss – dort angekommen, beginnt nun auch für uns endlich der wahre Abstieg. Über herrliche offene Hänge geht es nun in der prallen Sonne ebenfalls in Richtung der Spitzingalmen, ein Blick zurück auf den Wendelstein lohnt hier alle mal.







Ein wenig oberhalb der Almen kann man sich nochmals entscheiden, bleibt man auf dem schmalen Steig und quert weiter am Hang bis hinein in den Wald oder möchte man doch zügig hinab zur Forststraße, welche bei den Almen endet. Egal wie die Entscheidung ausgeht, die Forststraße – ein Schlitten-Geheimtipp – ist so oder so der Weg nach unten. Für die einen früher, für die auf dem schmalen Steg etwas später. Auf der Forststraße angekommen, folgen wir dieser nach unten und verlieren dabei nie die Richtung „Geitau“ aus dem Blickwinkel. Bei passendem Wetter und noch ausreichend Zeit bieten sich übrigens die einzelnen „Erlebnis-Stationen“ der Forststraße an, selbige ist nämlich ein eigens angelegter Meditationspfad mit diversen Übungsaufgaben.
Sobald wir im Tal und somit kurz vor den Bahngleisen angekommen sind, biegen wir in Gehrichtung links ein, wandern an den Gleisen entlang über und um vereinzelte Bauernhöfe herum, dem Parkplatz der Bergstation entgegen. Auch wenn die Beine bereits müde sind, die Mundwinkel sind unter Garantie noch weit oben und als Fazit bleibt, ein wunderbarer Tag auf einer wunderbaren Tour, die im Winter tatsächlich noch besser ist als im Sommer. Allein schon menschenmässig, denn 8 Begegnungen – natürlich mit genügend Abstand und Respekt – in den letzten paar Stunden sind nicht der Rede wert.
Zumindest nicht in diesem Winter.
Gesund & fair bleiben.
R.