WHISTLER TRAILS

Das MTB-Trail Netzwerk in und um Whistler ist riesig und bietet nahezu für jeden ambitionierten Biker das ein oder andere Schmankerl – dennoch muss man auch hier ein wenig „aussortieren“. Das macht man zum einen entweder im Vorfeld, dass man sich bspw. an der Trailforks App ausrichtet und sich auf die angegebenen Schwierigkeitsgrade oder Bewertungen verlässt oder aber man testet sich einfach durch, um danach ein gewisses Fazit für sich selbst ziehen zu können.

Ich habe euch hier mal drei Trails/Varianten aufgelistet, die – aus meiner Warte – absolut lohnenswert, zeitgleich charakteristisch für typisches Whistler- bzw. BC-Mountainbiken und einfach das Kontrastprogramm schlechthin zu unseren heimischen Trails sind.

Das mögen nicht zwingend „die besten Trails“ der Gegend sein, aber dazu ein andermal mehr – obendrein sind Geschmäcker, Fahrverhalten und Empfinden meist eh verschieden. Aber das habe ich euch bereits in Report 1 und Report 2 über den Whistler Bikepark versucht nah zu bringen.


(Anm. d. PJ.: Meine 3 Trail-Tipps bauen übrigens aufeinander auf, die Reihenfolge geht von „warm canadian welcome“, über „so läuft das also hier“ bis hinzu „meine Fresse“… )

 

 

River Runs Trough It

Wer jetzt wiederum direkt bei Trailforks nachliest und dort als Beschreibung „CrossCountry“ liest, der braucht sich weder um mich, noch um die Trailbeschaffenheit selbst Sorgen machen. Mit mir und dem Trail ist alles in Ordnung – nur haben die Kanadier und wir Europäer von dem Wort „CrossCountry“ eine mehr als unterschiedliche Auffassung. Was bei uns gerne in Zusammenhang mit langweiliger Forststraße oder anderen holperfreien Pisten und Kilometer-fressen gebracht wird, ist hier in Kanada eher als schlichtwege Übersetzung des Wortes zu sehen, es geht eben „quer durchs Unterholz“. Kommen wir gleich zum nächsten Augenreiber, ja der Trail schlängelt sich bis auf wenig marginale Höhendifferenzen eigentlich in der Ebene durch das Wäldchen zwischen Whistler Golf Course und dem Rainbow Park. Das heißt aber nicht, dass auch nur eine Minute Langeweile aufkommt, denn der Trail bietet im Loop auf 5km alles was das Herz und die Erwartung an einen (kanadischen) Trail begehrt. Egal ob wir hier von Oldschool-Wurzelgerumpel und diversen Northshore-Spielereien (auf doch recht unterschiedlichen Höhen und Niveau) oder sogar von kleinen Drops, einigen Sprüngen und einer feinen Hip sprechen – alles da! Und das Fotomotiv schlechthin, die Brücke über den Fluß, darf natürlich auch nicht fehlen.

Wer übrigens gerade bei „5km“ mit den Augen gerollt und müde gelächelt hat, dem sei nur soviel gesagt: Erst fahren, dann urteilen, ob der Trail wirklich nur „ein Snack“ ist. Denn jeder Meter – und ich meine jeden Meter – hat es in sich und genau deshalb ist er auch einer meiner Empfehlungen. So erlebt man hautnah, was mountainbiken in Kanada bedeutet, wie sich eine absolute Trail-Legende unter den eigenen Reifen anfühlt und wie – sorry – geil, ein Trail mit nur minimalen Höhendifferenzen sein kann.

Eins noch, wer sich hier schon schwer tut und sich nicht ganz wohl fühlt, der sollte sich dennoch wirklich reiflich überlegen, ob er/sie die Thematik „Biken in Kanada“ nicht besser nochmal gründlich überdenkt.

 

Cut yer bars

Einfach mal in Whistler auf der Lorimer Road nicht in Richtung Valley/Blackcomb abbiegen, sondern die entgegengesetzte Richtung einschlagen; gestatten, der Ortsteil Nesters. Dort erhebt sich mitten in dem goldenen Dreieck aus Wohnviertel, Myrtle Community School und Nesters Market (übrigens ein weit besserer – wenn auch kleinerer – Supermarket, als der IGA im Zentrum) ein bewaldeter Hügel. Sofort wird eine Sache klar, das Wort Hügel trifft es haargenau auf den Punkt, was wohl bedeutet: geringe Uphill-Aktivitäten bieten im Umkehrschluss auch wenig Abfahrgenuss. Das stimmt so zum Glück nicht – natürlich sind die Abfahrten kurz, dafür aber knackig und superspaßig. Und die Trailbauer in Whistler wäre keine typischen Trailbauer, wenn es nicht von diesem Mini-Hügelchen aus, mind. 10 verschiedene (wahrscheinlich weit mehr) Varianten gäbe, um sich allen kanadischen Herausforderungen zu stellen. Um den Hügel zu erklimmen gibt es fast ebensoviele Auf- wie Abfahrtsmöglichkeiten, egal wo ihr unten rauskommt (ob Sportplatz der Schule, Steinbruch, Straße etc.) es gibt in 90% der Fälle nach 5m wieder einen Weg nach oben. Selbiger dauert tretend oder schiebend – wir sprechen hier von ca. 15-20 min. – nahezu gleichlang. Der klassische blau-markierte Trail CUT YER BARS selbst trägt seinen Namen nicht zu unrecht, in Höchstgeschwindigkeit geht es nahezu in Falllinie durch den Wald – daher dann auch der Name, wehe dem der einen zu breiten Lenker und die fehlenden Skills hat. Einfädeln ist mindestens einmal Pflichtprogramm; daher geht die erste Sichtungsfahrt bestenfalls etwas langsamer an. Ihr strampelt zu 100% eh gleich wieder nach oben. Danach solltet ihr euch unbedingt die schwarze Variante des Namensvetters auf die Fahnen schreiben – hier hat jemand (keine 10m entfernet von der blauen Version) deutlich an der Schwierigkeit geschraubt, der Waldboden und der Baumslalom weicht einem haarsträubenden Granitplatten-Ritt. Gut, ganz so haarsträubend ist er nicht – dennoch stockt jedem BC-Neuling hier garantiert der Atem, solche Abfahrten gibt es in Europa – zumindest in der DACH-Region – definitiv nicht und daher muss man sich Schritt für Schritt an dieses Terrain gewöhnen. Habt Vertrauen in euer Bike, lernt mit der Vorderbremse umzugehen und vergesst das Thema „Hauptsache schnell soll es sein“. Rockslabs (so heißen diese Granitplatten/felsen) sind – nach einer Eingewöhnungsphase – Spaß pur.

Wenn ihr übrigens schon mal am „Cut yer bars“-Hügel seid, solltet ihr euch definitiv Zeit nehmen, auch alle anderen Trails zu entdecken, denn hier ist der beste Trainingsplatz für alle weiteren BC-Trails überhaupt. Es gibt eine wirklich fiese Jumpline in Richtung der Community School hinab (Achtung, Gaps only!), der Einstiegs-Rockslab auf HANDS-OF-DOOM ist holla- die-Waldfee, der mexikanische Ausläufer am hinteren Ende des Hügels trennt die Spreu vom Weizen… Double-Fels-Roller in der Fahrvariante oder mit viel Eier in der Hose an der ersten Kante abziehen und unten im Geröll landen? (Ps.: nur bei nem Local gesehen – irre!)

Summa summarum ist „der ganze Hügel“ einfach ein lustiger Spielplatz, egal bei welchem Wetter, egal was auf dem Tagesplan steht, egal zu welcher Tageszeit und eine super Alternative um der Wochenend-Liftschlange zu entgegen; ohne einen kompletten Downday einlegen zu müssen.

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Nach langem wühlen in der Fotokiste: Cut yer bars – black (2016)

+++ Der Hügel ist übrigens ein ebenso begehrter „Spielplatz“ bei Schwarzbären; daher Augen auf +++

 

Rockwork Orange

Kommen wir nun zum Eingemachten… Ihr hattet Spaß beim Strampeln auf „RIVER RUNS TROUGH IT“? Ihr habt nahezu alle Trails „am Hügel“ abgehakt? Zeit für „serious trail business“.

Leider beinhaltet das Ganze auch einen – ohne irgendetwas zu beschönigen – furchtbar ätzenden Aufstieg bis man endlich (ca. 1-1.5 Std. später) am Trailhead angelangt ist. Hier muss ich aber anfügen, dass wir viel geschoben haben, denn der Weg – beginnend am Friedhof von Whistler (Alta Lake Gegend) – ist mehr als beschwerlich und steil. Kleiner Tipp, nutzt die Rainbow-Sproatt Flank für den Aufstieg.

Am Trailhead angekommen, empfiehlt sich eine kurze Atempause, allein um sich mit Helm, Protektoren und Handschuhen auszurüsten – denn die schwarze Kennzeichnung sowie der Name kommen nicht von ungefähr. Das wird schon nach wenigen Metern mit einem ersten nahezu senkrechten Rockslab unter Beweis gestellt. (Ps.: meines Erachtens einer der genialsten Rolls in der gesamten Umgebung – nochmal und nochmal und nochmal…) Die folgende steinerne Aussichtsplattform bietet herrliche Ausblicke über ganz Whistler, den Alta Lake bis hinüber nach Blackcomb mit all seinen Gletschern. Danach heißt es aber wieder Gameface-on; denn volle Konzentration und ein stetiges Erweitern der eigenen Komfortzone sind ab jetzt gefragt. Die Felsabfahrten werden zunehmend länger, trickreicher und wilder – mal mit Wurzeln überzogen, mal in absoluter Schräglage zu fahren und sogar ab und zu noch etwas feucht. Apropos: dieser Trail ist bei Nässe zu 100% zu meiden! Sobald ihr einen Felsen hinab und über ein paar Meter Waldboden schießt, der euch auf ein kleines Northshore-Leiterchen spukt, könnt ihr jubeln…ROCKWORK ORANGE ist geschafft. Ein wilder Ritt, der sich mehr als lohnt und trotz aller Kniffligkeit einen (sofern man sich darauf einlässt) enormen Funfaktor bietet.

Verfahren ist übrigens nahezu unmöglich, man folgt entweder den Richtungsweisern oder eben einfach der vom moosbefreiten Trailspur auf den Granitbrocken. An dieser Stelle mal ein unfassbares Lob an die Erbauer solcher Trails – Jungs, was habt ihr nur für ein Auge und Händchen!

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Besagter Rockslab direkt im Einstieg von Rockwork Orange.

Eins noch, ROCKWORK ORANGE ist absolut kein Trail um zu „testen“ ob man selbst schon reif für schwarz-markierte Trails ist – Umfahrungen oder Alternativen zu den Schlüsselstellen sind hier Mangelware. (Ihr hattet bei CUT YER BARS – BLACK schon Probleme? Tut allen und euch selbst einen Gefallen, schiebt Rockwork Orange auf die Zukunftsprojekte-Liste)

 


Wer es im Gegensatz dazu gerne noch etwas wilder hätte, der kann nahtlos KOROVA MILK BAR an Rockwork Orange anknüpfen, dieser double-black Trail ist ebenso mit jeder Menge Rockslabs gespickt, die allerdings zugegebenermaßen eine deutlich andere Hausnummer als die gerade gefahrenen sind. Das Gefälle mancher dieser Felsbrocken ist  durchwegs kritisch – oft allein schon in der Vorstellung, bei der Frage nach dem „wie“? Ein weiterer Knackpunkt sind die Übergänge von Fels zu Waldboden, diese „fehlen“ oftmals bzw. ist man genötigt sich schon während der Felsfahrt abzudrücken und den Rest zu droppen. Versteht mich nicht falsch, wir reden hier nicht von meterweise freiem Fall – dennoch ist der Trail einfach durchwegs „mehr als herausfordernd“.

 


 

Immer noch nicht genug? Und jetzt wollt ihr es wirklich wissen? Gut, dass das Ende von Korova Milk Bar nur ca. 20m entfernt vom Einstieg zum roten (experts only) Trail namens WIZARD BURIAL GROUNDS liegt. Auch wir waren nach den beiden obigen Trails und den daraus resultierten Erfolgen topmotiviert, wischten die Bedenken beiseite und stürzten uns in den Trail. Was sich uns dann präsentierte, war zeitgleich irgendwie komisch, anders und so auch nicht zu erwarten gewesen. Die ersten Meter des Trails schlängelten sich über Waldboden und ein bisschen losem Geröll – danach wurde der Trail immer verwinkelter, steiler und – völlig untypisch – mit Unmengen von Geröll übersät. Spitzkehre um Spitzkehre, das alles in falllinienartiger Hangneigung, dazu mttlw. Wurzelteppiche im Umfang ala „Hermann Meiers Oberschenkel“ zerstörten jeglichen Fahrfluss, Flow – ja eigentlich eine gänzliche Fortbewegung… Gefühlte 2/3 des Trails verbrachten wir damit unsere Bikes zu tragen, schieben, über Felsen zu klettern und darüber zu diskutieren, wie zur Hölle man das hier fahren sollte. Ist der Speed eines Weltcup-Racers hier nötig oder bräuchte man eher die Bikebeherrschung eines dieser Technik-Asse aus dem Bike-Bergsteigen? Wir hatten hier jedenfalls nahezu null Spaß – dabei war alles weder mordsspektakulär, noch gefährlich oder exponiert, es war schlicht und ergreifend einfach nur (für uns) nicht fahrbar. Zur Ehrenrettung des Trails sollte man aber noch sagen, das fahrbare und definitiv flowige untere Drittel ist dann wiederum ein Knaller – aber auf gar keinen Fall, das Gefluche der beiden Drittel davor wert.


So können wir den Tag nicht ausklingen lassen, da rollen wir nochmal schnell am „Cut yer bars-Hügel“ vorbei – der geht schliesslich immer und zaubert mit Garantie und Präzision das Lächeln zurück auf unsere Gesichter.

Lange Rede, kurzer Sinn – when in Whistler: raus mit euch und ab aufs Bike!
R. 

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Thilos Fazit: JA MANN!

Ps.: wie immer sind die Trailfotos etwas mau; da wir beide einfach lieber fahren, als ständig zu knipsen 😉

 

 

 

2 Gedanken zu “WHISTLER TRAILS

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