Als der Wecker um 6 Uhr klingelt bin ich erstaunlich fit, aber das ist immer so, wenn es auf Reisen, zum Skifahren oder sonst wohin geht, plötzlich ist aufstehen kein Problem – ganz im Gegensatz zu einem normalen Werktag wohl gemerkt.
Vom Flughafen München heißt unser Ziel zunächst Kopenhagen, dort im Vollsprint quer durch den ganzen Flughafen, um den Weiterflug nach Stockholm innerhalb der nächsten 17 Minuten zu erwischen. In Stockholm geht es dann ähnlich knapp zu, hier ist aber nicht der straffe Zeitplan, sondern ein gnadenlos überforderter Kellner im Flughafen-Pub daran Schuld, dass auch der Weiterflug ins 600km entfernte Östersund beinahe verpasst wird.
Letztendlich schaffen wir aber auch diese letzte Flugetappe und landen in der bereits einsetzenden Dämmerung in Östersund, dort werden wir von unserem Guide mit den Worten „Herzlichen Willkommen zu eurer Schneemobil-Woche in Schweden“ empfangen. Endlich am Ziel…denkste, denn jetzt hieß es, Gepäck in den VW-Bus schlichten und 4,5 Stunden auf spiegelglatten Straßen ins das schwedische Hinterland zuckeln. Bei stockfinsterer Nacht – es ist ca. 19 Uhr – kommen wir im 80 Seelen Örtchen Jormvattnet an und beziehen unsere Unterkunft. Auf den ersten Blick ist alles da – eigenes Zimmer mit Bad und Toilette usw. – auch wenn man eigentlich nur innerhalb des Hauses etwas sieht. Schnell noch zwei Öl (schwedisch für Bier), eine ordentliche Portion hausgemachter Kötbullar und schon lebt man den schwedischen Traum, weit abseits von IKEA. Danach geht es direkt ins Bett.
Tag 1, beginnt wie alle darauffolgenden Tage logischerweise mit Frühstück. Warum ich das jetzt explizit erwähne? Seit diesem Morgen bin ich Porridge-süchtig. Einfach unfassbar lecker, selbstgemacht mit Apfelmus und Heidelbeeren. Versucht es! Wirklich!
Gestärkt und motiviert springen wir alle – eine Gruppe von 6 Personen (plus Guide) – in unsere Funktionsklamotten und gehen im Geiste nochmal die Packliste durch. Folgendes sollte bzw. muss für einen Schneemobil- Skidoo- Sled- oder wie-ihr-es-nennen-wollt-Trip am Mann sein:
- Warme Outdoor-Klamotten mit einer hohen Wassersäule
- Thermo- oder Merinounterwäsche
- 2 Paar Handschuhe
- Vollvisier-Helm
- Mütze, Halstuch und/oder Sturmhaube
- Wasserdichte, warme min. knöchelhohe Winterstiefel
- ABS-Ausrüstung (Rucksack, Pieps, Schaufel, Sonde)
- Ski-Snowboard-MotoCross-Brille
- Erste Hilfe Set
- Getränk (Tee / Wasser / Cola)
- Müsliriegel, Nüsse oder ähnliches
- Mobiltelefon
- Umgebungskarte
Ich persönlich packe natürlich noch den Fotoapparat und vorsichtshalber auch mal die GoPro ein, man weiß ja nie. Da ertönt auch schon die Stimme des Guides „Aufsitzen, Sled anlassen und losfahren, wir treffen uns oben an der Wiese“. Äh Moment, nochmal von vorne bitte, wo ist oben? Welche Wiese? Wie lässt man dieses 300kg Monster denn an und wie zur Hölle funktioniert dieses „fahren“? Zum Glück geht es zwei anderen Schneemobil-Neulingen ähnlich und ich kann trotz ihrer Helme die tanzenden Fragezeichen erkennen. Der Guide hat (mitleidig) lächelnd ein Einsehen und erklärt uns alle benötigten Basics. Der Anlasser wird gedrückt und zackhaft am Daumengashahn gedrückt – hui, da steckt Bums dahinter, das Maschinchen will direkt los, nur mit Mühe kann ich das Gefährt davon abhalten über die an das Haus angrenzende Pferdekoppel zu pflügen. Die Island-Ponies schulden mir was.
Nach kurzer Fahrzeit bergauf, erreichen wir die besagte Wiese, auf der wir uns nun an das Schneemobil gewöhnen und damit üben sollen. Hier stehen nur wenige Bäumchen, der Boden ist – leider mit nur sehr wenig Schnee bedeckt – dafür aber nahezu eben und von Hindernissen oder Gefahrenquellen keine Spur. Dennoch bin ich bereits klitschnass geschwitzt, aber kein Wunder, steht man doch als blutiger Anfänger mehr als nur verkrampft auf seinem Schlitten, obendrein versucht man jegliche Bewegung durch Kraft zu inszenieren und reißt und zieht an dem Schlitten, als gäbe es keinen Morgen mehr. Total falsch. Die alten Hasen ballern gelangweilt über unser Übungswieschen und surfen auf nur einer Kufe um die Kurve, wir Neulinge sehen in den 3 anwesenden Bäumen potentielle Todesfallen und zittern uns mit 8 km/h um eine Kurve die den Radius eins Ice-Road-Sattelschleppers hat. Kurzum ein Trauerspiel.
Nach circa einer Stunde mahnt unser Guide zum Aufbruch, da wir uns alle schon so super anstellen würden, wäre es Zeit für eine erste Erkundungstour. Echt jetzt? Er will uns umbringen? Dort sind nur Bäume, Felsen und Hügel, sowie endloses Nichts. Na gut, er hat ja recht, denn für eine Übungswiese hätten wir alle ja nicht bis fast an die norwegische Grenze reisen müssen. Also drücke ich den Daumen durch…Braap.
Die nachfolgende Tour ist die – um es direkt vorwegzunehmen – schwächste und taktische unklügste der ganzen Woche, wir machen ewige Hangquerungen, fahren quer zur Uferböschung eines riesigen Sees und verfahren uns aufgrund der geringen Schneemenge auch noch, so dass wir alles am Punkt X – ein Weiterkommen ist unmöglich – wieder zurückfahren müssen. Generell nicht wirklich schlimm, nur wer mal mit einem Motorschlitten quer zum Hang fahren musste und dass auch noch als Neuling, der weiß, Spaß war wirklich anders. Doch dank der konstanten Herausforderung, war auch die benötigte Lernkurve relativ und hoch und gegen nachmittag machte es irgendwann auch Klick im Kopf und ich hatte ungefähr verstanden, wie man so einen Schlitten im freien Gelände zu steuern hat.
Mein Körper schmerzt vom kleinen Zeh bis hin zum Ohrläppchen, dass der Spaß so anstrengend ist, hätte ich nicht gedacht. Abendessen, in die Runde winken, ab ins Bett.
Tag 2 und man hört eigentlich schon jeden stöhnen, haha, eine herrliche Alt-Männer-Truppe haben wir da. Leider hat es über Nacht in Strömen geregnet, was natürlich bedeutet, alles andere als wirklich gute Schneebedingungen warten heute auf uns. Egal, Gentlemen please start your engines.
Unsere heutige Tour führt uns kreuz und quer durch das Umland unseres Örtchens, übrigens machen wir jeden Tag so um die 50-70km Wegstrecke, was mich schon ein wenig überrascht. Auf unserer Rund- bzw. Kreuzundquerfahrt steht heute auch eine erste See-Überquerung an, generell kein Wunder, da gefühlt nach max. 10 min. Fahrzeit ein neuer See in Schwedens Hinterland auftaucht – da ist die kanadische Seendichte ein schlechter Witz dagegen. Alle Seen sind egal ob Dimension Weiher oder gar Chiemsee-Größe bombenfest zugefroren und ohne Einbruchsgefahr mit unseren Skidoos zu befahren. Was ein Nervenkitzel, dank des Regens steht auf dem blanken Eis ein ca. 2-5cm hoher Wasserfilm, rein optisch sieht das aus, als würde ich über meinen Badspiegel fahren. Dann heißt es Schub und mit ordentlich Gas ans gegenüberliegende Ufer donnern. Diese Seebefahrungen sind eine Notwendigkeit, die einem mehrmals pro Tag begegnen, für mich persönlich aber ein Graus. Ich habe einfach zuviel Kopfkino bei 70 km/h mit schwänzelndem und konstant ausbrechendem Heck…. Ging ja aber dennoch immer gut.
Immerhin bekommt man so eine noch innigere Beziehung zu seinem Schlitten.
Wir brechen heute etwas früher ab, da das Wetter einfach nicht das Gelbe vom Ei ist und die Wehklagen über individuelle Gebrechen gegenüber dem Frühstück deutlich an Volumen gewonnen haben. Heiß duschen, Abendessen, ein Gläschen Rotwein und konstantes Drücken des ReFresh-Buttons für den Champions-League-Ticker sind die Abendbeschäftigung.
Tag 3, strahlender Sonnenschein und klirrende Kälte – now we are talking…
Porrdige reingemampft, Voltaren-Körpersalbung, Equipment-Check und los geht es direkt. Wir fahren auf den nur wenige Kilometer entfernten Klumpliklumpen, einem mit 667 hm über dem Meeresspiegel staatlichen Berg….für schwedische Verhältnisse. Die Auffahrt ist ein kurzer Nervenkitzel, aber oben erwartet uns eine wunderbare Aussicht mit phänomenalem Panorama – aber auch eisig kaltem Wind. Die folgende Abfahrt ist übrigens mit so einem 300kg Bock durchaus tückischer als die zuvor erlebte Auffahrt, denn wenn so ein Schlitten mal rutscht, dann rutscht er.
Danach ballern wir erneut kreuz und quer durch das Jämtland, diesmal allerdings mit Ziel vor Augen, wir wollen zum hauseigenen Sommerquartier in Form eines echten Tipis, dass direkt an der norwegischen Grenze oberhalb eines kleinen Sees liegt. Strahlend blauer Himmel, lässt diese Ausfahrt und jeden Hügel wirklich etwas ganz besonderes sein. Am Tipi angekommen, wird sofort Feuer gemacht und unser Guide beginnt zu kochen. Wer Lust und Laune bzw. noch überschüssige Kräfte hat, rumpelt währenddessen im Umfeld des Tipis durch das Unterholz. Hier gilt es aber peinlich genau die Grenze zu Norwegen im Auge zu behalten, bei den Nachbarn sind Schneemobile komplett verboten und ein Verstoß wird mit 10.000€ Strafe und der Beschlagnahmung des Schlittens bestraft.
Die Wurst-Hackfleisch-Kartoffel-Allerlei-Pfanne ist fertig und wird gierig von der Gruppe verschlungen; eine wirklich sensationelle Mittagspause. Leider ist das Tipi aufgrund des Feuers und der Rauchentwicklung nicht wirklich zu betreten und selbst für unseren hartgesottenen Guide eine Herausforderung – wie er dort drin herumwerkeln, kochen und atmen konnte ist mir ein Rätsel.
Erste Klagelaute über die heute doch eiserne Kälte der schwedischen Winterlandschaft werden laut und alles drängt zum Aufbruch. Ich persönlich bin wirklich mehr als froh über meine Me-T2 Kombination von PiZ Zimtstern, die mich dank der Thermore® Isolations-Wattierung weit von einer Gänsehaut oder auch nur dem leisesten Frösteln entfernt hält. Aber ich kann ja schlecht rufen, ätsch, Augen auf beim Klamotten-Kauf. Daher sattele ich stillschweigend – wenn auch leicht grinsend – auf und wir donnern zurück in Richtung unserer Unterkunft. Dass wir hierbei wie Lucky Luke in den Sonnenuntergang fahren, macht den heutigen Ausflug nur noch spezieller.
Tag 4, das gute Wetter von gestern müssen wir heute direkt büßen: Nebel, Wind, Regen-Schnee-MischMasch wirkt so gar nicht einlandend auf uns. Daher wird auch direkt beschloßen, dass wir zunächst nur mal eine kleine Runde zum Tanken fahren und dann weitersehen, ob und wer überhaupt nachmittag nochmal raus möchte. Immerhin haben wir schon am Vormittag die ersten Ausfälle in Form von „ich glaub ich schlaf einfach weiter“ in der Gruppe zu verzeichnen.
Ich entscheide mich, zumindest den Tankausflug auf jeden Fall mitzunehmen – hätte man mir von der 15 minütigen Seeüberquerung im Vorfeld berichtet, ich hätte Tankstelle Tankstelle sein lassen. Aber sei es drum, auch hier muss man sagen: ist ja gut gegangen. An der Tankstelle gab es neben Sprit für unsere Schlitten, auch Kaffee für uns und danach sind wir in einem verlassenen „Skigebiet“ (2 Tellerlifte) noch ein wenig Hügel auf und ab gesaust. Aber Hand aufs Herz, bei einer Sichtweite von ca. 30m ist das irgendwie wenig erquickend.
Zurück in der Unterkunft gibt es Hotdogs für alle und ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass es mit 13.30 Uhr die perfekte Zeit für ein kleines Bier ist, so habe ich eine wunderbare Ausrede für den Nachmittag: Dank des Null-Promille-Gesetz seit Januar 2017 für Schneemobil-Lenker, muss ich leider nachmittags pausieren. So ein Pech. Ab ins Bett, ein Nickerchen und Netflix warten auf mich.
Tag 5, Jubel, Trubel, Heiterkeit bricht beim Blick aus dem Fenster aus. Wir haben Neuschnee, zwar nicht so viel wie angekündigt aber immerhin 20-30 Zentimeter werden das schon sein. Hektik bricht aus, jeder will los. Keine 30 Minuten später – alle Wehwehchen sind vergessen – sitzen wir auf den Schlitten und düsen los. Diesmal in eine neue und bis dato unbekannte Richtung und plötzlich kann ich als Neuling erahnen, wovon die Veteranen hier immer erzählt haben, wenn sie über die miesen Schneequalitäten in diesem Jahr schimpften. Ein Sled und Neuschnee, das ist ein komplett anderer Sport – jetzt würde ich am Liebsten nie mehr absteigen und blase mit einem Dauergrinsen von Kuppe zu Kuppe, ja selbst die Fahrt über den ein oder anderen See interessiert mich nicht mehr die Bohne. In ein paar Fällen bekomme ich es sogar hin, die eine Kurve auf nur einer Kufe zu durchsurfen – natürlich sieht das alles im Vergleich zu unserem Guide immer noch lächerlich aus, aber hey, es ist erst mein 5tes Mal überhaupt.
Der alte Satz „pray for snow“ ist somit nicht nur unter Skifahrern und Snowboardern aufzuteilen, nein, ich kann jetzt auch all die Sled’er verstehen, die gierig auf Frau Holle’s finest warten, um endlich so spielen zu können, wie sie es wollen.
Fantastisch, dass wir so einen gelungen Tag als Abschluß unseres Trips haben durften, man darf sich nicht ausmalen, was wir für eine Stimmung unser Lager erleben hätte dürfen, wenn es genau umgekehrt gelaufen wäre. So haben wir uns über wirklich schlechte Verhältnisse an das echte Sled-Feeling herangetastet.
Gegen Abend wird der Schneefall immer dichter, die Sicht immer schlechter und die Arme immer länger – plötzlich sind die Wehwehchen und die Erschöpfung zurück und wir beschließen getreu dem Motto aufzuhören „wenns am Schönsten ist“.
Zum Abendessen lädt der Hausherr uns noch in seine selbstgebaute Wikinger Hütte zu Rentier vom Grill in urigster Atmosphäre ein. Am Indoor-Lagerfeuer klingt der Abend dann doch schnell aus, denn dank der eher suboptimalen Reiseplanung, beginnt unsere Rückflug-Odysee bereits um 8:15 Uhr am Flughafen Östersund. Aber wer sich an den Beginn dieses Artikels erinnert, der weiß, wir befinden uns aktuell 4,5 Stunden entfernt davon. Daher ab ins Bett, in 2 Stunden klingelt der Wecker.
Alles in allem ein Super-Trip, sicherlich noch verbesserungswürdig in den ein oder anderen Dingen, aber der Spaß stand im Vordergrund und das zählt. Nicht zu vergessen ist auch der Fakt, dass ich endlich mal wieder einen Haken an eine weitere „ich muss das probieren“-Sportart setzen konnte.
Wer an solch einem Trip Interesse hat, wendet sich am Besten an die Jungs von www.yetisnowtours.com, sagt einen schönen Gruss von mir und fliegt alsbald in den hohen Norden.
Braaap Braaap
R.
Danke an PiZ Zimtstern, Buff Headwear und Pally’Hi für die Unterstützung.
Servus Perueckenjunge,
super wie Du diese Woche in Worte fasst – ich weiß es, weil…i war ja dabei… dad der Polt sagen!
Allerdings fühl ich mich als „Veteran“ jetzt doch a bisserl alt 🙂
War ne super Woche mit Euch und ich bin jederzeit wieder dabei, wenn wir in den Schnee zu toben gehen.
Der Bräu vom Starnberger Brauhaus
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Schneemobil-Veteran, Wiederholungstäter und Profi – das Alter spielt da überhaupt keine Rolle ;))
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