LAGO DI GARDA

Seit ca. Anfang bis Mitte November fieberte ich den freien Tagen zwischen Weihnachten und der ersten Kalenderwoche des Jahres 2016 entgegen. Skifahren würde ich, als gäbe es keinen Morgen mehr. Tja, Pustekuchen, da hatte ich wohl die Rechnung ohne Petrus gemacht, der sich entschied ordentlich am Temperaturregel zu drehen und das Wort Niederschlag aus allen meteorologischen Vorhersagen verbannte. Am Gardasee sollten es ab dem 28. Dezember sogar sage und schreibe 20° Grad warm werden…

Genau hier kam mir dann der Gedanke, warum über das Ausbleiben des Schnees wehklagen, wenn ich doch eh nichts dagegen ausrichten konnte und warum sich dann nicht lieber anpassen? Gedacht, getan – der Kurztrip an den Gardasee war somit beschlossene Sache. Mountainbike, Kletter-Equipment, Laufsachen, Badehose – man weiß ja nie – und ein paar Klamotten eingepackt, ab ging die Post.

Solch ein Geistesblitz mag jetzt für manch einen als total durchgeknallt erscheinen, oder zumindest mit der Frage „Lohnt sich das denn?“ versehen werden. Die Antwort hierauf lautet ganz klar, ja tut es. Das Nordufer des Gardasees ist von meiner Haustür exakt 4 Stunden Fahrzeit entfernt und somit nun wirklich keine Weltreise mehr. Und wie oben schon beschrieben, man muss sich eben anpassen, wenn actio das Wetter ist, dann ist eben reactio der Gardasee.

Nach kurzweiliger und völlig verkehrloser Fahrt checke ich gegen Mittag im Hotel Caravel in Torbole ein. Strahlend blauer Himmel und die Sonne taucht den Tremalzo, den Monte Baldo sowie die restlichen Hausberge des nördlichen Seeufers in wunderschönes Licht – erstes Fazit: alles richtig gemacht. Einzig und allein die Temperaturen scheint wetter.com gewürfelt zu haben, denn 12° Grad sind einfach 8° weniger als das digitale Versprechen lautete.  Aber egal – schnell rein in die Bikeklamotten und los.

In Torbole selbst, könnte man übrigens gerade ohne große Mühen den 2ten Teil von Day after tomorrow oder einem anderen Endzeit-Stimmungsfilm drehen, denn nichts absolut gar nichts hat hier geöffnet. Da dämmerte es mir auch, ach du schade, ich muss die Berge jetzt wohl auch hinaufstrampeln, da selbst die Shuttlestation von Luca (unser bevorzugter Shutlleservice aus vergangenen  Besuchen) dick mit Brettern vernagelt war.

Na dann… Aber bloß am ersten Tag nichts übertreiben, daher eine easy Runde auf den Monte Brione; dem kleinen Felshügel der Torbole von Riva trennt. Nach ca. 35 min. erreicht man die von überall zu sehenden Sendemasten auf seinem höchsten Punkt, ab da heißt es: Helm auf und los gehts. Aber was ist das? Die „Vorderseite“ des Brione ist seit vielen Jahren für Biker gesperrt, die „Rückseite“ war aber immer noch ganz legal zu befahren. Das dort angebrachte „No Bike“ Schild sprach aber eine ganze andere Sprache. So ein Mist, aber Teerstraße bergab? Niemals. Also Bremshebel auf und rein in den Trail. Ein herrliches Gefühl wieder mal Fahrtwind ins Gesicht sowie Fels und Geröll unter den Stollenreifen zu bekommen.

Zu schnell ist der Trail aber leider wieder auf 0m über dem Meeresspiegel angekommen, mich packte ein verrückter Gedanke: auf dem ganzen Berg war keine Menschenseele zu sehen gewesen, es ist absolute Offseason hier am Lago und die Sonne verschwindet auch bald hinter dem Tremalzo…Nochmal hoch und die Vorderseite fahren (jetzt ists auch schon egal). Ob ich diesen Gedanken dann wirklich in die Tat umgesetzt habe oder nicht, überlasse ich aber jetzt mal eurer Fantasie!

Am nächsten Morgen strahlten Himmel, Sonne und See wieder gegeneinander um die Wette; welche ein An- bzw. Ausblick von meinem Balkon aus. Mit einer Temperatur von 6° Grad um 10 Uhr war es heute früh aber doch etwas frisch, egal mir würde zwangsläufig schon warm werden. Denn heute stand der Coast Trail auf meiner to-ride-Liste. Selbiger startet auf halber Höhe des Monte Baldo, was bedeutet, ich muss etwas mehr als 11km von 0 auf 1.100hm zurücklegen – überhaupt nicht meine Königsdisziplin.

Schon nach wenigen Minuten ist mir mehr als warm und ich bin mir nicht sicher, ob dieser Plan der Beste war, den ich je hatte. Immer wieder tauchte der Satz aus allen Bikeratgebern dieser Welt vor meinem inneren Auge auf „…der einfach zu pedalierenden Straße auf den Monte Baldo folgen…“. Ich schnaubte verächtlich, ja genau! Nun gut, jetzt im Nachhinein muss man tatsächlich sagen, dass diese Aussage absolut in Ordnung ist und zutrifft. Die Straße ist nur selten steil, hat keinerlei Schwierigkeiten etc. – sie ist einfach nur verdammt lang und geht nun mal nach oben. Während der Schinderei war ich da aber ganz anderer Meinung; nichtsdestotrotz trat ich ohne Pause, motiviert von 2 Folgen des ARD Radio Tatorts unaufhaltsam in die Pedale, bis ich schließlich am Dos Casina den Einstieg des Coast Trails erreichte. (Fahrtzeit bis hier etwas weniger als 2 Std. – jaja, aber ich bin eben kein großer Bergauffahrer.)

Schoner an, Helm auf und los geht der wilde Ritt. Das erste Segment ist für  Lago-Verhältnisse überraschenderweise recht „flowig“ und auch mit hohem Tempo gut zu befahren. Sobald man auf der Forststraße angekommen ist, hält man sich links, tritt ca. 50 m bergauf und biegt dann direkt wieder auf den Trail ein. Im 2ten Segment regiert das Laub, selbiges liegt oft ein halbes Laufrad hoch und macht aus dem eh schon rauhen Ritt über Fels und Geröll ein einziges Roulette Spiel. Crash oder nicht, entscheidet hier die Natur und nicht der Fahrer. Auf der nächsten Forststraße angekommen, hält man sich rechts in Richtung des Brunnens, folgt der Straße einige Meter um kurz nach dem Wasserspeicherbecken einen U-Turn zu machen und dann wiederum rechts in den Trail abzubiegen. Ab jetzt alle Markierungen, roten Pfeile etc. ignorieren, ihr bleibt eisern auf dem Trail!!! Einzig nach der leicht gruseligen verfallenen Hütte zu eurer Rechten orientiert ihr euch auch nach rechts – als Anhaltspunkte dienen hier gut die Strommasten, denn in deren Richtung müsst ihr fahren.

Ab hier wird der Trail dann etwas verzwickter und schwieriger, generell finde ich ist der Coast Trail ein Trail bei dem es weniger um die Geschwindigkeit als um das sichere Ankommen geht. Der Coast Trail mag zwar zu den technisch leichteren Lago-Trails zählen, dennoch hat auch dieser mehrere knüppelharte Stellen sowie einige No-fall-zones zu bieten und daher gilt wie immer: safety first. Bei manchen Stellen muss ich immer wieder grinsen, wenn ich die Gardasee-Lokals in meinem Ohr noch sagen höre „der Coast Trail ist ein reiner Flow-Trail“ – bei aller Liebe, aber sorry Jungs, ihr habt sie doch nicht alle.

Wer dann unbeschadet den letzten Strommasten mit der kleinen Steilwand erreicht hat, weiß, gleich ist es geschafft. Jetzt kann man auch die Bremsen wieder etwas aufmachen und durch die letzten Kurven ballern. Zum Schluß biegt man nochmal kurz links auf die letzten Meter des legendären 601 ab und lernt nochmal mit dem Wort „verblockt“ umzugehen. Danach rollt man auf das Gelände des Busatte Parks aus, ein breites Grinsen im Gesicht, die Finger schmerzend, die Beine Matsch aber happy!

Das die Sonne immer noch ihr Bestes gibt, das Wetter einfach herrlich ist und wir gerade mal 14.30 Uhr haben, ist mir herzlich egal. Ich packe meine Badehose, ein Handtuch und die FlipFlops ein: Garda Thermae ich komme!

Der alte Mann braucht Erholung.

I heart Lago
R

3 Gedanken zu “LAGO DI GARDA

  1. Zum Glück muss man eine deiner „goldenen Bike Regeln“ über Bord schmeißen – 2 h Bergauf fahren stinkt immer noch 😊

    Ansonsten schöne Fotos nur fehlt hier eindeutig ein Beweisbild für den Badeaufenthalt!

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