Strömender Regen. Temperaturen wie im Herbst. Perfekte Bedingungen also für einen Ausflug zum jährlichen Stell-dich-ein der führenden Outdoor-Marken und Hersteller am Bodensee. Selbiges läuft von 13. bis 16. Juli unter dem recht naheliegenden Namen OutDoor Friedrichshafen ab.
Das Ganze wird mein erster Aufschlag im Friedrichshafener Messezentrum, nachdem ich vor ca. 3-4 Jahren das letzte Mal auf der Eurobike war und mir geschworen habe, einmal und nie wieder. Daher reise ich mit gemischten Gefühlen an, erwartet mich wieder ein Zu- und Abfahrts-Stau aus der Hölle, Menschenmassen in den Gängen, Remi-Demi und Anarchie pur oder eher eine Version der ispo in klein? Werden wir ja gleich sehen…
Den Zufahrts-Stau kann ich auf meiner Checkliste mit der Abfahrt von der Autobahn direkt abhaken. Läuft. Endlich am Messegelände angekommen, erweist sich der Presse-Parkausweis als äußerst nützlich und ich parke – eingewiesen von überaus freundlichem Personal (kein Witz!!) – nahezu direkt vor dem Haupteingang. Ein kurzer Sprint durch den Regen und hinein in die Rothaus Halle und ab ins Getümmel…
…äh, Moment, in welches Getümmel. Entgegen meiner Befürchtungen ist die Messe zwar ganz ordentlich besucht, aber in den Gängen, noch auf den Ständen der Aussteller, selbst an den Essensstände und ja sogar in den Sanitärbereichen herrschen weder Chaos noch Gedränge. Man hat genügend Platz sich zu bewegen, sich zu informieren und Produkte genauer unter die Lupe zu nehmen, ohne dass mindestens 3 weitere Hände wie im vorweihnachtlichen Wühltischkrieg an selbigem Produkt ziehen und zerren. Das gefällt.
Schon nach wenigen Hallenmetern und dem passieren der ersten Stände wird eins schnell klar, die Greenpeace Studie über das PFC Thema (siehe bereits hier) hat zwar in der Outdoor-Szene schallende Ohrfeigen verteilt, die Hersteller aber haben verstanden und reagiert. Nachhaltigkeit ist DAS Zauberwort schlechthin und wird einem von Stand zu Stand erneut um die Ohren gehauen. Klingt zunächst ermüdend, ist es aber nicht, denn diese Einsicht und das Heute an eine Welt von morgen denken, muss einfach der richtige Weg sein. So gibt es jetzt wasserdichte Jacken aus recycelten Produkten, aus alten PET-Flaschen, ohne Klebstoffe, aus alternativen Naturmaterialien und vielem mehr.
Ein weiterer großer Ansatzpunkt der outdooraffinen Branche ist die Transformation von technischen Materialien zum Lifestyle-Produkt. Gemeint ist damit der Einsatz von z.B. Polartec, Primaloft, Shell-Variationen und vielen weiteren Materialien – die eher noch den exotischen Sonderling s-Status geniessen – sollen den Weg in „normale“ Bekleidungssegmente finden und eben nicht mehr nur den hochalpinen Expertenteams zur Verfügung stehen.
Was es Neues an der Kletterfront zu berichten gäbe, kann ich leider nicht sagen, da ich aufgrund meiner Schulter wohl nie wieder klettern werde, habe ich alle Branchengrößen in diesem Bereich versucht gekonnt zu ignorieren und auszublenden. Nichts ist schlimmer, als sich erst die Zähne lang zu machen und dann nicht dürfen können…
Dafür kann ich jetzt bestätigt, sagen – auch wenn es längst in aller Munde ist – Fernwandern ist, wird und bleibt der heiße Scheiss. Wer nicht fernwandert, wird als bald nicht mehr zur anerkannten Outdoor-Gemeinde zählen. Wer diesen Umstand auf jeden Fall vermeiden will, der darf sich umgehend mit Wandernführern, Landkarten, Gewichtsminimierung aller Gepäckstücke, einer individuellen Routenwahl, der Suche nach dem perfekten Rucksack und dem dazu passenden Trinksystem machen. Dann sollte einer Tour in 2017 auch nichts mehr im Wege stehen. Soll heißen, die Auswahl hier ist einfach riesig und kann bei ausgefuchstem Optimierungswahn wirklich Zeit kosten. Dennoch, Fernwandern müsst ihr so oder so!
Ein erfreulich zu beklatschender Fakt ist, dass der kurze Ausflug in die Welt der Neonfarben nahezu einheitlich zu Grabe getragen wurde und es mittlerweile alle Firmen schaffen, schöne, dezente und/oder passende Farbkombinationen für ihre Produkte anzubieten. Gut, ein paar Ausnahmen gibt es immer noch, aber der Rest hat sich definitiv dem Motto „dress in style“ verschrieben.
Die Outdoor-Branche boomt, den Firmen und Herstellern geht es gut und der Markt schreit nach mehr, optimale Bedingungen um ein wenig an der eigenen Range zu experimentieren. Wenn das Experiment dann auch noch klappt, klatscht man zufrieden in die Hände, freut sich über den Fakt, Grundvater des Gedankens zu sein und sieht zu, wie (nahezu) ALLE anderen mit dem Kopieren anfangen.
Am Beispiel von The North Face lässt sich das wunderbar verdeutlichen. Hier hat man einen Blick über den Tellerrand der eigenen Zielgruppe hinaus geworfen und musste feststellen, dass Functional Training aka Zirkeltraining ebenso extrem im Trend liegt. Die zweite Feststellung war dann, dass sowohl die eigenen Profis, als auch der Großteil der Zielgruppe sich nicht nur „draussen“ aufhält und mit learning-by-doing beschäftigt ist, sondern dass genau die Athleten – ob Profis oder nicht – eine Menge Zeit im Gym oder dem eigenen Hobbyraum in Trainingseinheiten aller Art investieren. Kurzerhand wurde hier nicht nur eine „eigene“ Trainingsform, sondern auch eine passenden Kollektion dazu entworfen. Das Thema „Mountain Athletics“ ward geboren und gab The North Face somit quasi die offizielle Legitimation Fitness-Klamotten mit einem Hauch von Outdoor-Bergwelt-Flair zu verbinden. Well done. Wer sich jetzt umblickt wird dieses Prinzip mehr oder weniger ausgeprägt bei allen weiteren großen Herstellern finden, wobei natürlich jeder seinen eigenen Namen dafür gefunden hat. Individualität ist schließlich Trumpf.
Letzten Endes muss man sagen, die OutDoor ist eine äußerst gelungene Messe mit hohem Informationscharakter und aufgrund der fehlenden Party-Attitüde einer ispo, sowie dem Hinweis „Fachbesucher only“ eine wirklich Business-orientierte Veranstaltung. Dass überrascht zum einen aufgrund meiner anfänglichen Befürchtungen, zum Anderen, eine wirkliche Wohltat.
Zu guter Letzt muss man dann aber mglw. etwas kleinlaut zugeben, dass der wirkliche AH-OH-WOW-Effekt eines absoluten Highlights ausbliebt oder ich ihn zumindest nicht entdeckt habe. Viele kleine Neuerungen und Innovationen ergeben dennoch einen im Großen und Ganzen sehr vergnüglichen Messetag, an dem ich nicht nur alle befreundete Firmen wie Paramo, Norröna, Buff, LedLenser, Houdini, Hanwag, Columbia, Zimtstern uvm. besucht und deren Linien begutachtet habe, sondern mich auch mit vielen neuen Gesichtern und Marken beschäftigen konnte.
In diesem Sinn bleibt gerade beim Thema Outdoor festzustellen, es gibt noch sooooviel zu tun und zu erleben. Zunächst aber staue ich mal zurück zur Autobahn, mache dafür einen Haken auf der Checkliste und freue mich jetzt bereits auf die nächste Ausgabe im Jahr 2017.
Bleibt #draussen.
R
PS: Eins noch, wer sich aktuell nicht als Trailrunner bezeichnet oder es nicht zumindest schon ausprobiert hat, ist noch out’er als die, die keine Fernwanderung planen.