Als vor ca. 2-3 Wochen eine Einladung des ORF zum 76. Hahnenkamm-Rennen in meinen Briefkasten flatterte, war die Freude groß – aber zunächst nur von kurzer Dauer. Um es mit den Worten meines Opas zu sagen „imma kimmt ois zam“. Soll heißen, das Rennwochenende auf der berüchtigten Streif fand zeitgleich mit einer schon im Herbst von mir gebuchten beruflichen Fortbildung statt, zu allem Überfluss meldeten aber auch die ispo und ein Betriebsausflug einer befreundeten Agentur Besitzansprüche auf dieses Wochenende an.
Zähneknirschend rief ich daher beim ORF an und vermeldete, „Vielen Dank für die Einladung, aber leider ohne mich“. Zu meinem Glück, saß am anderen Ende der Leitung jemand, der weniger auf selbiger saß als ich, denn just hörte ich die Frage, warum ich denn nicht wenigstens für den Freitag zum Super-G in DIE Wintersportdestination Tirols kommen würde?
Ein Anruf bei Sixt später war klar, Weltcup ich komme. Zwar fuhr ich nicht standesgemäß im Audi Quattro vor -der einem innerorts als Hauptsponsor des Hahnenkamm-Rennens konstant um die Ohren gehauen wurde – bezog aber dennoch nach problemloser Anreise am Donnerstag Abend mein Quartier in Kitz und war race-ready.
Abendessen, Parties, Nachtleben von Kitzbühel, all das interessierte mich wenig, ich wollte sofort zur Strecke und die beiden Zielhänge der Streif und des Ganslerhangs begutachten. Dick eingepackt und halbwegs gegen die Kälte vermummt, zog ich hinaus in die klirrend kalte Nacht – was zur Folge hatte, dass ich im 5 Minuten Takt von Security und Polizei kontrolliert wurde. Ausweis und Tascheninhalte zeigen, danach das jeweilige Sätzchen „…es ist halt wegen den Vorkommnissen der letzten Wochen & Monate, nix für ungut…“ anhören, verständnisvoll nicken, lächeln, weiter gehen – in der Summe verständlich und kein Problem.
Wenn man dann plötzlich mutterseelenallein – abgesehen von 1-3 fleissigen Helfern – im Zielauslauf der beiden Weltcup-Pisten steht, überkommt einen die Ehrfurcht und leichte Gänsehaut entwickelt sich. Ich streune noch etwas umher, sauge jeden Moment der Ruhe in mich ein und denke nur, morgen wird das wohl ganz (ganz) anders werden.
Kurzer Abstecher in den Kitz Race Club, flächendeckendes Kopfschütteln meinerseits und dann schnurstracks ab ins Bett.
Freitag, 7:59 Uhr – ich habe das Duell gegen den Wecker mit einer Minute Vorsprung gewonnen; Wahnsinns-Start in den großen Renntag. Hastig zum Frühstück, zurück ins Zimmer, rein in die Ski-Unterwäsche und los. Zunächst traf ich mich mit meinem Bekannten vom ORF; bei gemütlichem Kaffee wurde über das bevorstehende Rennen, die Preispolitik von Red Bull, den zunehmenden Ausverkauf Kitzbühels, das elitäre Gehabe des Kitzbühler Skiclubs, das Programm und mögliche „Was wird wohl alles passieren“-Tendenzen diskutiert. Dann trennten sich unsere Wege auch schon, sein 20 Std. Arbeitstag und mein 5 Std. „Renn-Tourismus“-Tag nahmen ihren Lauf.
Durch Kitzbühel, Richtung Einlasskontrollen schlendernd, muss ich zugeben, war ich etwas enttäuscht, denn zwei Sachen hatte ich komplett anders erwartet. Zum einen war mir nicht klar, wo die von mir erwarteten Menschenmassen waren bzw. blieben und zum anderen war ich absolut perplex, dass es null Komma null Merchandise Artikel zum Thema Kitzbühel, Hahnenkamm, Streif etc. pp. gab. Einfach nichts! Das hatte ich komplett anders vermutet – vermutlich steckt aber auch hier wieder der „Besitzer“ des Rennens, der Kitzbühler Skiclub dahinter.
Ich beschloss ca. eine Stunde vor Rennbeginn, das Areal zu betreten, zu Mal ich nicht einfach wie eine Ölsardine mit null Sicht eingequetscht im direkten Zielbereich stehen wollte und zum anderen, weil ich, wenn ich mich schon etwas den Berg hochquälen wollte, dass Ganze möglichst langsam und schulterschonend tunen wollte (musste).
Schließlich fand ich einen sensationellen Platz, etwas unterhalb der Seidlalm – da stand ich nun, starrte auf die in Spuckweite liegende Piste vor mir und traute meine Augen nicht. Blankes Eis und eine Wellenbahn, dass es hässlicher nicht mehr ging – aber im Rennzirkus heißt das wohl „grad schee is“.
Im Ort selbst füllte sich der Zielbereich mit samt der Tribünen nun doch, Moderatoren und Dj’s heizten dem Publikum ein und – festhalten – Teile der Red Bull AirRace Staffel und 2 EuroFighter flogen ein ohrenbetäubendes 400 kmh schnelles aber immerhin 15 minütiges „Vorprogramm“ durch das Tal. Kost‘ ja nix!
Dann war es endlich soweit… Wobei es aber doch erst Startnummer 3 an meinem Platz in der ersten Reihe vorbei schaffte, die beiden anderen Fahrer hatten mit dem Kurs „so ihre Probleme“. Unfassbar, wenn man solch ein Renngeschehen aus nächster Nähe sieht, diese Jungs sind wirklich komplett schmerzbefreit, schießen in Sekundenbruchteilen an einem vorbei und arbeiten dazu aber präzise wie ein Uhrwerk auf zwei Kanten. Und das hier ist erst der (langsame) Super-G. Ernsthaft: alle verfügbaren Hüte ab.
Ich kann es jedem nur empfehlen, sich dieses Erlebnis einmal live anzusehen.
Nach den ersten 20 Fahrern begann ich mich dann wieder in Richtung der Menschenmassen nach unten zu begeben, hier wurde einem dann schlagartig vor Augen geführt, was für viele das „wahre“ Rennerlebnis ist: Bier, Schnaps, Verkleidungen aller Art, Partywahnsinn, Tröten, Trillerpfeifen, Fahnen, Schreien und einfach komplett aus ticken, wenn der kommende Fahrer auch nur annähernd etwas mit Österreich zu tun hat.
Ps: alle anderen Starter wurden vom Kommentator auch – außer Aksel Lund Svindal – nahezu ignoriert; von jedem österreichischen Starter hingegen, wusste die Stimme aus den Lautsprechern aber die komplette Lebensgeschichte zu erzählen; zu witzig und sehr amüsant!
Ich beobachtete dieses verrückte Treiben nach Rennende noch ein wenig, schob mich dann zusammen mit der Menschentraube in Richtung der Kitzbühler Altstadt, bog noch kurz zum Medienzentrum ab, verabschiedete mich bei den ORF-Leuten, empfahl mich zwinkernde als aufstrebenden Stern am Sport-Fotografie Himmel und trollte mich mit breitestem Lächeln durch die spätnachmittägliche Sonne in Richtung meines Autos. Hier und heute war für mich das Abenteuer Hahnenkammrennen 2016 zu Ende.
Eins ist aber sicher, ich komme wieder.
Anm. i. eigener Sache: Ich gratuliere allen heil im Tal angekommen Rennläufer zum ihrem „Sieg“ über die Streif, allen anderen und diesem Fall leider verunfallten Fahrern wünsche ich eine schnelle und vor allem die BESTE Genesung. Racing is life.
STREIFsch(l)uss
R
…everything else is just waiting.
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