Wenn Freunde einen überraschen, ist das an sich schon eine schöne Sache, wenn sich diese Überraschung dann allerdings als das Winken mit Karten zur European Outdoor Film Tour (eben kurz: EOFT) äußert, ist der Abend schon fast geritzt.
Eine Zusage meinerseits war somit keine Überraschung, hatte ich es doch obendrein geschafft, die gefühlten 10 bereits zuvor stattfindenden Termine der Tour in München zu verpassen; bzw. mich zu spät um Karten zu bemühen.
Aber auch zur diesmaligen Veranstaltung schlüpften wir auf den letzten Drücker durch die Einlasstore des cinemaxx München, was zur Folge hatte, wir und noch ca. 10 andere Zuspätkommer mussten sich mit Stehplätzen im Saal begnügen. Eine Premiere, die ich nicht unbedingt erleben hätte müssen, denn 120 min. gehen ganz schön in die Beine.
Aber nun zum bereits erwähnten 2 stündigen Programm; die Tour beinhaltet im Jahr 2015/16 insgesamt 9 Zusammenschnitte diverser Outdoor- und Extremsportfilme. Zu allen gebe ich euch nun einen kurzen Überblick; sowie mein persönliches Fazit dazu.
Los ging der ganze Spaß mit:
Burn it down
Der Longboarder James Kelly nimmt einen mit auf seinen atemberaubenden Bergabfahrten durch die Sierra Nevada. Bergab bedeutet hier übrigens Spitzengeschwindigkeiten von rund 70 kmh – auf einem Skateboard.
Fazit: kurzes Filmchen, bei dem man sich mehrmals an den Kopf fassen muss, denn Kelly glüht hier wirklich ohne Gnade zu Material und sich selbst den Berg hinab. Ich persönlich musste immer daran denken, wie weit ich kommen würde… Mein Tipp, nach ca. 5 m müsste man mich aus der Felswand herausoperieren. ***
…abjetzt kann ich übrigens für die Reihenfolge nicht mehr garantieren…
Onekotan – The lost island
Die 3 Freeskier und Freeride-Worldtour-Athleten Matthias Mayr, Matthias Haunholder und Phil Meier sind auf der Suche nach noch unbefahrbaren Gebieten, fündig werden sie hier im nirgendwo der russischen See. Onekotan ist der Name einer Insel und der sich darauf befindliche Vulkan Krenizyn ist das skitechnische Ziel. Was so einfach gedacht war, entpuppt sich schnell als wahre Expiditionshölle, die fast in einem One-Way-Trip endet.
Fazit: Wie so oft, stellt sich bei solcher Art von Filmen schnell die Frage: braucht es das wirklich? Gerade im Angesicht der Strapazen, der Entbehrungen und der letztendlich doch eher kümmerlichen Ski- und Wetterbedingungen muss man die Athleten dennoch für ihren Willen und Einsatz respektieren. Beste Szene: 27.000€ Chartergebühren mit der Kreditkarte und ohne Wimpernzucken zu bezahlen hat Stil. ***
Masters of slack
Eine Film über zwei absolute Helden der Slackline Szene, die beide unterschiedlicher nicht sein könnten. In der einen Ecke der junge Este Jaan Rose und gegenüber der „Godfather of Slacklinig“ Andy Lewis. Der alte Haudegen ist eiserner Verfechter seines selbstkreierten „Slacklifes“ und ist der personifizierte Rebell, Jaan hingegen kommt zwar ebenfalls aus der Trickline Ecke, hält aber Regeln, Training und Wettkämpfe für ebenso wichtig, wie den Rest seines Lebens.
Fazit: Ich persönlich kann mich für den Sport Slackline nicht wirklich begeistern, dennoch muss man den Athleten unfassbares Talent und Können attestieren. Auch filmisch sind diverse Szenarien sensationell in Szene gesetzt, dennoch bleibt das Ganze einfach nicht „mein Sport“, daher auch nur ** von mir.
1h 46min
…ist die exakte Zeit, die Dani Arnold benötigt, um auf das Matterhorn zu sprinten. Jaja, ihr habt schon richtig gelesen. Dani saust hierfür maschinenähnlich mit Steigeisen und Pickeln bewaffnet durch die Wände diverser alpiner Eis-Felsrouten – ohne Seil, aber das versteht sich ja von selbst.
Fazit: Mir als großem Fan von Ueli Steck blutete schon 2011 das Herz, als Dani Uelis Zeit für die Eiger Nordwand um satte 20 min. unterbot, daher war ich gespannt, wie denn der Herr Arnold so ticken würde. Ein absolut verrückter Vogel aus sporttechnischer Sicht heraus, aus menschlicher Sicht wiederum hat man aber nie den Eindruck er würde etwas riskieren, was er nicht wirklich kalkulieren kann. Auch wenn das absurd klingt, wenn man Wasserfälle free solo (ohne Sicherungen) klettert, dennoch wirkt Mr. 5-Gang-Diner überraschend vernünftig. Aber es bleibt: Prädikat haarsträubend. ****
UnReal
Freeride-Mountainbiking mit der Creme de la Creme dieser Sportart. Eine visuelle Flucht aus dem Alltag hinein in eine „unreale“ Welt des Sportes. Keine Landschaft zu einzigartig, kein Sprung zu weit, kein Trick zu akrobatisch und kein filmischer Aufwand zu groß.
Fazit: Hier stieg die Spannung für mich als MTB-Fan und Mitveranstalter der UnReal Premiere der zoopercrew in München natürlich besonders an. Welche Segmente hatte man wohl gewählt und wie würde der Film auf der cinemaxx Leinwand im Gegensatz zu unserer Leinwand im Sendlinger Tor Kino wirken? Zu sehen gab es zunächst McCaul und Steenberg, samt einer Herde Wildpferde und dem sattesten Frontflip überhaupt. Nun gut, kann man machen, ich persönlich wäre hier eher für den „Whistler-Part“ des Film gewesen. Das zweite Segment lag aber auf der Hand und ist keiner Diskussion würdig, Semenuks „One Shot“-Line den Berg hinab. Einfach immer wieder unfassbar – auf welcher Leinwand man dass dann sieht war schon fast egal. Auch wenns bei uns (natürlich) besser war. ****
Irgendwann zu diesem Zeitpunkt wurde es dann Zeit für eine Pause, wir nutzen diese um uns kurz mal hinzusetzen, alle anderen vertraten sich derweilen die Beine und versuchten ihr Glück beim Gewinnspiel um einen Mammut Lawinenrucksack. Danach hieß es Round 2.
Unbranded
Vier Freunde, nennen wir sie landläufig mal Cowboys, begeben sich auf einen irren Trip besser gesagt Ausritt. Sie wollen zusammen mit ein paar eigenhändig gezähmten Mustangs 3.000 Meilen durch die USA reiten, von Mexiko nach Kanada. Abseits aller Pfade und der Zivilisation.
Fazit: Wow, ein Pferdefilm. So und jetzt nochmal ohne Ironie und Sarkasmus: Wow, ein Pferdefilm. Ich meine das jetzt im Nachhinein absolut Ernst, eine unglaubliche Reise durch die grandiose Landschaften des Westens der USA. Eine Reise durch manch Tal der Tränen hinauf zum Gipfel des Glücks, sehr bewegend und wirklich toller Film. Hatte ich so im Vorfeld wirklich nicht erwartet. Die Kinofassung in Originallänge kommt in Deutschland übrigens demnächst ins Kino. Lacht gerne, aber ich werde ihn mir definitiv ansehen: www.ungezaehmt-derfilm.de *****
Degrees North
Xavier de le Rue und Samuel Anthamatten, der erste Snowboard-Freeride-Pro, der zweite durchwegs talentierter Skifahrer abseits der gebügelten Pisten haben – wie scheinbar alle Freerider – einen Traum, dort abzufahren, wo vor ihnen noch nie jemand gefahren ist. Hierzu wird allerdings keine größenwahnsinnige Expidition angeleiert sondern einfach ein exotisch Gefährt genutzt. Als Zubringer für ihren Touren auf den Lofoten und in Alaska wählen die beiden motorisierte Paraglider und erkunden somit für Helikopter unerreichbares Terrain.
Fazit: Ganz ehrlich, was soll man sagen – die beiden beherrschen ihren Sport, die Bilder sind Bombe und die Landschaften einmalig. Aber die Tatsache, dass man jetzt eben statt von einem Heli von einem Tandem-Paraglider abspringt und somit durch den Powder pflügt, haut mich als Zuseher nur die ersten ein-zweimal aus den Latschen. Für den richtigen Spaß, müsste ich das schon selbst machen dürfen. **
Tamara
Ein brutal ehrliches Porträit über eine Bergsteigerin, eine Frau, eine Südtirolerin, eine die auszog um das Fürchten zu lernen, eine die diese Angst letztendlich besiegte. Tamara Lunger im Kampf gegen und mit sich auf dem Weg zu Gipfel des K2. Und all das ohne zusätzlichen Sauerstoff.
Fazit: Leben heißt leiden, Bergsteigen heißt leiden – unter diese beiden Leitsätze, könnte man den Film und die Erlebnisse der sympathischen Südtirolerin zusammenfassen. Ein äußerst sehenswerter Film und eine sehr offenherzige Tamara, die viel Einblick in ihre und die Gefühlswert der Bergsteiger generell zulässt. *****
A line across the sky
Alexander Honnold und Tommy Caldwell beschließen gemeinsam die Fitz-Traverse in Patagonien an einem Stück zu klettern. Soweit nichts besonderes? Blickt man etwas genauer in die Biografien der beiden, wird schnell ein lautes OHA! vernehmbar. Beide Sportkletterer, beide aus Kaliforniern, beide Yosemite-Locals, Honnold meist bzw. gerne ohne Seil unterwegs vs. ein eisiges windiges Patagonien, einer Mehrtagesklettertour uvm.
Fazit: Das mit Abstand größte Highlights des Abends, denn trotz aller Härte und Entbehrungen produzieren die beiden Athleten neben einer enormen sportlichen Leistung ein alpines Stand-Up-Comedy-Programm auf die Leinwand, dass sich gewaschen hat. Großartiges Kino und zum Brüllen komisch, wenn einer der beiden tatsächlich feststellt, dass er keine Steigeisen eingepackt hat und ernsthaft die Frage stellt: Wozu auch? Eben, sie wollten ja nur Eisklettern gehen. Herrlich ein Must-see. *****
Daher notiert euch bitte, entweder ihr erwischt noch einen der Tourstopps und geht ins Kino oder ihr kauft euch spätestens die DVD.
R.