MOUNTAINBIKEN

Allein aufgrund meines Wohnortes, würde ich mich als (echten) Münchner Isartrail-Local bezeichnen. Als selbiger ist es nicht abzustreiten, dass es nahezu täglich mehr Leute werden, die auf ihren Stollenreifen noch ne schnelle „Afterwork-Runde“ drehen wollen, dabei aber oft aussehen, als wäre der Zirkus in der Stadt oder zumindest ihre Fahrtechnik an den dummen August erinnert. Wie mag es da nur in der Gefühlswelt der echten Isar-Urgesteine wie z.B. den Bombenkrater-Jungs zugehen?  Nun ja, egal, es sind ja leider nicht meine Trails, daher gilt leben und leben lassen. Ist ja andererseits auch schön, wenn die Leute wieder einen erhöhten Drang auf ein „draussen“-Erlebnis haben, als nur in der Kneipe oder noch besser vor der Glotze zu versumpfen.

Was aber geht jetzt in dem Kopf eines Whistler-Locals vor? Man muss sich das mal vorstellen, tagein tagaus Menschenmassen die zu langen Warteschlangen an zwei (extrem schnellen) Liften mutieren. Obendrein tauchen in diesen Massen natürlich die unterschiedlichsten Gestalten auf, bei denen ich – ebenfalls ja NUR Bike-Tourist und Gast – schon die Augen verdrehe:

  1. Typ: Ich-will-auch-mal-Bikepark-fahren-Tourist; leicht zu erkennen, meist asiatischer Herkunft (sorry, aber das ist die Wahrheit), Jeans, Hemd!!!!, weiße Tennisschuhe, darüber diverseste Schutzbekleidungsteile und ein 8.000$ Leihfahrrad – nicht zu vergessen, die obligatorische Gucci-Sonnenbrille im Vollvisierhelm.
  2. Typ: Malibu-Stacy; noch leichter zu erkennen. Prinzipiell habe ich rein gar nichts gegen Girls-who-ride, ich selbst zähle ein paar von ihnen zu meinem engen Freundeskreis. Aber (klischee)blonde, braungebrannte Strandhäschen, die in Hotpants und Spagetti-Top samt pinken Fingernägeln laut „AMAZING“ kreischend auf ihrem brandneuen Specialized Demo den Trail hinunterBREMSEN, nein danke.
  3. Typ: Junggesellen-Abschied, richtig gelesen..! Ja auch das gibt es hier; und natürlich darf der Bräutigam in spe meist lustig verkleidet – traurigerweise nicht minder selten mehr nüchtern – den Hang hinab rollen. So jemand segelt dann in voller Fahrt durch Schleyer – soll ja auch ne coole Mutprobe sein, so eine Ausfahrt im Hasenkostüm, naja, jeder ist seines Glückes Schmied.

Dennoch ist man generell geneigt zu sagen, oh mann, ich würde viel lieber auch in Whistler wohnen, als nur im schnöden <deine Stadt>. Aber Hand aufs Herz, will man wirklich jeden Tag in der Summe stundenlang am Lift anstehen, ständig umgeben sein vom Massentourismus, Dutzende von Anfängern dabei beobachten wie sie dir jeden Trail zerbremsen (Spitzenthema, einfach mal bei nem Local ansprechen und dabei zugucken, wie seine Gesichtsfarbe wechselt), Wasser für 6$ am Kiosk kaufen müssen und viele weitere solcher Kleinigkeiten in Kauf nehmen?

MAN WILL!

Das quasi naturgegebene fahrerische Level ist hier einfach so unfassbar hoch, da würde man am liebsten jedem zweiten Kanadier direkt einen Vertrag als Newcomer des Jahres etc. unterjubeln. Was aber eben einfach daran liegen mag, dass der Sport (Gravity) Mountainbiken hier zum einen geboren wurde und zum Anderen keinerlei Grenzen oder Limitierungen kennt bzw. erfährt. Kurzes Beispiel an Hand von 3 aufeinander folgenden und wirklich exakt so passierten Gondelfahrten.

Fahrt 1, mit mir in der Gondel ein Familienvater mit seinem 5 jährigen Sohn – richtig gelesen und hier in Buchstaben nochmal: fünf. Das sei jetzt das erste Mal, dass er mit dem Sohnemann bis ganz nach oben fahren würde, aber er habe dafür ja auch schon den ganzen Sommer mit ihm im unteren Parksegment trainiert. Auf die Frage welches sein Lieblingstrail sei, bekomme ich von dem Dreikäsehoch eine grundehrliche Antwort: „I don’t care about the name of a trail, as long as it got enough airtime…“ Das hat gesessen! Ich muss ernsthaft überlegen, ob ich im Alter von 5 Jahren überhaupt schon ohne Stützräder geradeaus fahren konnte.

Fahrt Nr. 2, ich sitze mit zwei (halb)Halbstarken in der Gondel, wie sich im Lauf des Gesprächs der beiden herausstellt – dem ich genüsslich lausche – ist der eine nahezu ein Mann – also 13 Jahre alt – und der andere voll das Baby, aufgrund seines 11ten Geburtstages letzte Woche. Beide unterhalten sich angeregt über die 2 neuen Gap-Sprünge auf Dirt Merchant. Der „Kleine“ meint, er habe beide noch nicht probiert, der „Große“ gibt sich betont lässig und tut die beiden Sprünge als total easy ab. Daraufhin sagte der Kleine „Ja für dich bestimmt, ich hab dich ja gesehen, wie du letzte Woche die Crabapple Hits gesprungen bist.“ WTF, das sind 15-20m Sprünge????! Er ist 13.

Fahrt Nr. 3 findet zusammen mit Mike und Ben statt, Mike ist 52 und Ben 49, beide arbeiten bei so etwas wie der Forstbehörde und kennen den Park seit Tag 1 und somit besser als ihre eigene Westentasche. Eine Gondelfahrt voller Geschichten und Legenden, die ich zum Teil verstanden, die erwähnten Personen aus Videos etc. erkannt und zum Teil dank wildestem Akzent einfach nur nett lächelnd benickt habe. Aber auch diese beiden sitzen so oft es geht noch auf ihren dicken Downhill-Kisten, fliegen die A-Line runter oder geniessen bei einem Top of the World Run die perfekte Aussicht. Respekt.

Whistler, alles und jeder fährt hier Mountainbike, aufgesogen mit der Muttermilch, perfektioniert in täglichen Park-Laps und herauskommt ein Ergebnis, das uns neidisch und wehmütig wieder dazu verführt bei google abermals, wie schon so oft „jobs in canada“ einzugeben.

Mountainbiken hier Lebensgefühl, bei uns im direkten Vergleich eher noch Trend aber zum Glück auch Sport – mit vielen Facetten und Gesichtern. Ich bin eins davon.

Ride in Style
R

Ps: Ich möchte mich hier an dieser Stelle bei ION Bike herzlichst für deren Unterstützung Jahr für Jahr bedanken.

Ein Gedanke zu “MOUNTAINBIKEN

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